Einige Anmerkungen zum Regelwerk, aus aktuellem Anlass
von Björn Leffler
Der falsche Einwurf ist ja seit jeher eine dieser Regeln, die als unliebsame Störfaktoren in einem an Unterbrechungen eh schon sehr reichen Spiel sind. Da ist es nicht unüblich, dass die Schiedsrichter über den ein oder anderen nicht ganz korrekt ausgeführten Einwurf – beide Füße außerhalb des Spielfeldes, klare Wurfbewegung über den Kopf hinweg mit parallel zueinander geführten Armen – gern mal hinwegsehen. So ähnlich ist es mitunter beim Freistoß, der nur dann ausgeführt werden darf, wenn der Ball ruht. Auch hier lässt der eine Schiedsrichter gern mal laufen, der andere pfeift das Spiel – und damit den Spielfluss – hingegen empfindlich zurück. Ähnliches ließe sich über den Ort der Freistoß-Ausführung berichten, aber diese Causa haben wir im Verlauf der Saison ja bereits ausführlich nach Roger Schmidts Totalausfall beim Spiel Bayer Leverkusen gegen Borussia Dortmund behandelt.
Grundsätzlich gibt es grob gesehen zwei Arten von Schiedsrichtern. Die einen achten peinlich genau darauf, dass das Regelwerk strikt eingehalten wird. Da wird auch beim Stande von 5:0 noch die entsprechende vierminütige Nachspielzeit drangehangen. Die anderen wollen das Spiel im Fluss sehen, lassen dann eher mal laufen und pfeifen dann bei deutlichem Spielstand auch gern mal zehn Sekunden zu früh ab, ja mei.
Im gestrigen Spiel der Leverkusener gegen Hertha, einer Partie die für Hertha BSC entscheidenden Charakter auf dem möglichen Weg in die Champions-League-Qualifikation hatte, hatte man dann erst den Eindruck, hier hat man es wieder mit einem Schiedsrichter zu tun, der lieber mal laufen lässt. Zumindest war das in der spielmitentscheidenden Situation in der 2. Minute der Fall, als Karim Bellarabi einen Einwurf sehr schnell ausführte und damit das frühe 1:0 einleitete. Zu schnell für die tölpelhaft wirkende Berliner Abwehr, zu schnell allerdings auch für das Hamburger Schiedsrichtergespann um Tobias Stieler. Denn der so herrlich flink ausgeführte Einwurf war in doppelter Hinsicht falsch, und da der Linienrichter nur drei Meter neben dem ausführenden Spieler stand, hätte ihm gegebenenfalls auffallen können, dass der Spieler mit einem Bein einen halben Meter im Spielfeld stand und den Ball in Völkerballmanier aufs Spielfeld schmetterte.
Hertha-Coach Pal Dardai ehrt es, dass er diese Szene, die eine extrem enge und von beiden Mannschaften intensiv geführte Partie mitentschied und den Berlinern früh eine schwere Hypothek mit auf den Weg gab, nicht dem Schiedsrichter ankreidete sondern dem nachlässigen Abwehrverhalten seiner Mannschaft. Ein angenehm zurückhaltendes Statement in Zeiten ausdauernder Schiedsrichterschelte.
Anders herum hätte sich die Situation möglicherweise etwas weniger fair dargestellt. Der gestern so joviale Roger Schmidt hätte Herrn Stieler womöglich wieder an die Außenlinie zitiert, um die Sache einmal auszudiskutieren, und Rudi Völler hätte in jedes ihm ins Gesicht gehaltene Mikrofon gebellt, was für eine absolute Frechheit da gerade passiert ist.
Hertha gibt sich also als fairer Verlierer und nimmt die Entscheidungen brav hin. Und das sollten sie auch, denn ein Theater à la Völler wäre nicht nur peinlich, sondern auch übertrieben, da die Mannschaft die Hauptschuld an der knappen Niederlage trifft, Chancen zum 2:2 waren ja da. Dennoch ist es ärgerlich, dass so eklatante Fehlentscheidungen auf so einem Niveau passieren dürfen und die Auslegung der Schiedsrichtergilde von Spiel zu Spiel derartig schwankt.
Schiedsrichter Stieler entpuppte sich dann leider ganz und gar nicht als Referee, der gern mal laufen lässt. Im Gegenteil, er bremste den Spielfluss immer wieder durch peinliche Einhaltung des Regelwerks aus und steuerte zudem diverse fragwürdige Entscheidungen bei, die die Berliner Mannschaft und Fans auf die Palme brachten – und ihnen darüber hinaus sechs gelbe Karten einbrachten, während die Leverkusener mit nur einer gelben Karte auskommen durften, obwohl sie in der Endphase des Spiels zwei klare Fouls in Strafraumnähe begingen – von Schiedsrichter Stieler beides nicht abgepfiffen. Das Schiedsrichtergespann folgte hier also nicht etwa irgend einer Linie, sondern war schlichtweg überfordert, oder aber den Leverkusenern ein wenig mehr zugetan, der Eindruck drängte sich mit zunehmendem Spielverlauf überdeutlich auf.
Da es hier aber um den Einwurf gehen sollte, kehren wir noch einmal zum Balleinwurf zurück: Vielleicht sollte man diesen zukünftig einfach im Freestyle-Modus ausführen lassen, das würde die Sache erheblich vereinfachen. Mit einer Hand, oder von unten, oder einfach nur einrollen, wie auf dem Bolzplatz. Wenn das allerdings nicht das Ziel ist, sollte zukünftig einheitlich gepfiffen werden. Ein Ball ist ja auch vor oder hinter der Linie, da gibt es auch keinen Interpretationsspielraum.
Für den Start des gestrigen Topspiels Dritter gegen Vierter war es jedenfalls eine sehr fragwürdige Entscheidung, die Aktion laufen zu lassen. Aber Fehler sind eben menschlich. Zumidest lernen sollte man daraus. Auch wenn das Hertha BSC nicht mehr helfen wird. Jedenfalls nicht im laufenden Kampf um die Champions-League-Qualifikation.
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