„Fans“ von Borussia Dortmund attackieren beim Heimspiel gegen RB Leipzig die angereisten Fans, darunter Frauen und Kinder. Die Bilder der Gewalt, des ungezügelten Hasses, machen mehr als nachdenklich. Die Frage ist: Was kommt als nächstes?
von Björn Leffler
Was sollen wir also tun, in dieser von Investoren verseuchten, schlimmen Fußballwelt? Sollen wir uns ein Beispiel an den vandalierenden Horden nehmen, die am Samstag auf friedliche Leipziger Fans einprügelten? Aus nachvollziehbaren Gründen natürlich, schließlich waren die Angereisten Fans eines Vereins, der sich bekanntermaßen als reines Marketing-Konstrukt erweist.
Als nächstes also wird ein Sonderzug mit Fans des VfL Wolfsburg angezündet? Oder ein paar Brandbomben auf Anhänger der TSG Hoffenheim geworfen? Oder eine Nagelbombe auf der Stehtraverse der BayArena platziert? Oder einfach ein paar Fans des FC Ingolstadt auf der nächsten Auswärtsfahrt mit vierkantigen Eisenstangen zusammenschlagen?
Das wären doch Alternativen, oder etwa nicht? Oder sollten sich die Fans der ach-so-traditionellen Traditionsvereine einmal überlegen, von wem ihre Lieblingsvereine da eigentlich so abhängig sind? In welche Fänge sie sich willfährig und wohlwollend begeben haben? Wie sehr sie selbst die Marketing-Maschinerie befeuern?
Tradition rettete Borussia Dortmund vor dem Zwangsabstieg! Oder waren es etwa die verhassten Investoren? Leider ja, Freunde.
Der große Traditionsverein Borussia Dortmund war vor nicht allzu langer Zeit so verschuldet, dass er quasi bankrott war. Heruntergewirtschaftet, weil er über seine Verhältnisse gelebt hat. Wer hat ihn gerettet, den Verein? Die Tradition? Sicher nicht. Es waren finanzkräfige Investoren und Sponsoren wie etwa Signal Iduna, das noch immer namensgebend für ein Stadion ist, das einst den wunderschönen Namen „Westfalenstadion“ trug.
Ist Borussia Dortmund auf dieses Sponsorengeld angewiesen? Vermutlich nicht, der Verein kassiert dennoch gern ein. Muss es die fünfte Asien-Promotion-Tour sein? Vermutlich nicht, aber die Marketing-Tour muss ja weitergehen. Echte Liebe und so. Da kann man den mitgereisten Leipzig Fans schonmal ein Transparent mit der Aufschrift „Bullen schlachten!“ entgegenhalten, zweifelsohne.
Oder die Fans von Schalke 04, die beim Auswärtsspiel in Leipzig ihre Tradition und ihre Wurzeln betonten. Fraglich nur, wo die Wurzeln des Vereins heute wären ohne den wahnsinnig sympatischen Sponsor Gazprom, der den einst mit über 200 Mio. Euro verschuldeten Club aus Gelsenkirchen vor dem Untergang bewahrte. Jeder in Gelsenkirchen weiß sehr genau, dass die Lichter in der „Veltins-Arena“ (auch ein schöner Name!) ausgehen, sollte sich der russische Ölkonzern irgendwann zurückziehen.
Auch die Fans von Hertha BSC sind immer wahnsinnig schnell dabei, RB Leipzig als Unglück des deutschen Fußballs zu verteufeln. Dass Hertha heute nur schuldenfrei ist, weil Investor KKR über 60 Mio. Euro in den Verein gepumpt hat, wird gern stillschweigend hingenommen. Bloß nicht zu laut darüber nachdenken, wie klein der Schritt zum Marketing-Konstrukt eigentlich ist. Und wie abhängig man von fremden Investoren ist.
Hamburg, Berlin, Gelsenkirchen: Ohne Finanzspritzen allesamt Pleitegeier. Aber schweigen wir lieber darüber.
Auch die „Unabsteigbaren“ aus Hamburg sind immer ganz groß darin, sich als Traditionsclub aus dem Norden zu positionieren, dabei wechselte der Stadionname in den vergangenen Jahren so oft, dass man irgendwann gar nicht mehr wusste, wie die Arena im Hamburger Volkspark nun gerade heißt. AOL-, HSH Nordbank- oder IMTECH-Arena – ganz egal, solange die Euros rollen.
Und die skurrile Abhängigkeit des HSV von Mäzen Kühne ist mindestens genauso fragwürdig wie die Red-Bull-Finanzspritzen eines Dietrich Mateschitz. Sportchef Dietmaer Beiersdorfer hat in den vergangenen Jahren beinahe 100 Mio. Euro Transferausgaben tätigen dürfen. Mit dem Ergebnis, dass der HSV in schöner Regelmäßigkeit bedrohlich nah am Abgrund wandelt und zum Gespött des deutschen Fußballs verkommen ist.
Ja, RB Leipzig ist ganz sicher nicht der sympathische Aufsteiger, den man sich vielleicht gewünscht hätte. Es ist ein Marketing-Konstrukt, und es gräbt den arrivierten Clubs in rasendem Tempo das Wasser ab. Aber ganz sicher nicht nur aufgrund der Tatsache, dass in Leipzig viel Geld vorhanden ist. Was man in Fankreisen außerhalb Leipzigs gern übersieht, ist die Tatsache, dass in Sachsen derzeit außerordentlich gut gearbeitet, gescoutet und konzeptioniert wird. Red Bull hin oder her.
Simple Wahrheiten, schöne Sprüche. Selbstreflexion? Eher weniger.
Aber die simplen Wahrheiten, die naiv-dämlichen Plattitüden und Schmähungen, die Woche für Woche aus den Kurven der „Tradtionsvereine“ gebrüllt und nun in Form von blanker Gewalt über friediche Leipziger Fans ausgekübelt werden und wurden, machen deutlich, dass eine gesunde Selbstreflexion in vielen Fankreisen offenbar kaum oder nur schwach ausgeprägt vorhanden ist. Einfache Botschaften machen halt einfach mehr Spaß, das ist klar.
Wie wäre es aber mal mit etwas mehr Demut, etwas mehr kritischer Selbstbetrachtung und dem Versuch, einfach mal die Schnauze zu halten? Das wäre in der aktuellen Situation jedenfalls sehr angebracht. Genauso wie eine ehrliche und großformatige Entschuldigung der BVB-Fans (und nicht der Vereinsfunktionäre, die gerade panisch auszubügeln versuchen, was sie mit verursacht haben).
Das heutige DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Hertha BSC, live im ZDF von der ganzen Bundesrepublik zu bestaunen, böte sich für eine große Choreo auf der Südtribüne doch an. „Entschuldigung an RB Leipzig!“ in großen Lettern auf der traditionsreichen „Süd“. Es wäre das einzig richtige Zeichen.
Für all jene, die meinen, dass ich hier vielleicht ein wenig zu hart ins Gericht mit den Fans von Borussia Dortmund und den anderen Vereinen gehe, präsentiere ich nochmal einen Blick auf die Bilder vom Samstag:
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