Nach einem spannenden Abnutzungskampf setzte sich Borussia Dortmund im Elfmeterschießen gegen Hertha BSC durch. Am späten Mittwoch-Abend manövrierten sich die beiden Kontrahenten wie angeschlagene Boxer durch die Verlängerung des DFB-Pokal-Achtelfinalspiels. Die intensiven 90 Minuten der „regulären“ Spielzeit machten den Mannschaften gehörig zu schaffen und so verlängerten sich auch die Zeiten der Bodenberührung. Von bewussten Schwalben konnte dabei aber schon lange nicht mehr gesprochen werden, vielmehr verweigerten sich Geist und Muskel der Mentalität des Stehaufmännchens.
Die Schwerkraft schlug gehörig zu. Die gestrige Verlängerung zwischen dem BVB und der Berliner Hertha war geprägt von Unterbrechungen und Behandlungspausen. Der Spielfluss der brisanten ersten und zweiten Hälfte war nun vollends dahin und ließ das Elfmeterschießen statt wie eine Drohkulisse wie ein Hoffnungsschimmer am Horizont erscheinen. Repräsentativ für die Verlaufskurve des Spiels war insbesondere ein Mann: Ousmane Dembélé, der mit seinen Tempo-Dribblings mit wankelmütiger Präzision das Spiel in beide Richtungen schnell machte. Der Dortmunder Aufschwung nach der Halbzeit hatte auch mit der höheren Effektivität des jungen Franzosen zu tun, der in punkto Technik und Dynamik so manchen Mit- und Gegenspieler blass aussehen lässt. Tempogegenstoß über Tempogegenstoß, Dribbling über Dribbling, Pass über Pass – Dembélé war die zentrale Figur des Spiels. In der Verlängerung musste er dann seinem selbst auferlegten Spiel Tribut zollen und ging infolge einer ruckartigen Bewegung im Zweikampf zu Boden. Von dem löste er sich danach auch lange nicht mehr, so dass er per Trage vom Platz gehievt wurde und die Dortmunder Anhängerschaft sich schon auf eine Schlussphase in Unterzahl einrichten musste.
Jedoch ließ sich Dembélé von den körperlichen Gebrechen eher weniger beirren. Nach einer fünf- bis zehnminütigen Behandlungspause am Spielfeldrand kehrte er zur zweiten Hälfte der Verlängerung auf den Platz zurück. Von nun an waren weder Sprints noch Dribblings von ihm zu sehen. Er trottete lediglich in der gegnerischen Hälfte rum und wartete auf den vermeintlich kommenden Glücksmoment. Da dieser nicht mehr im laufenden Spiel kam, schnappte er sich beim Elferwettstreit als erster den Ball und versenkte ihn sogleich. Schließlich will sich die lange Behandlungspause auch verdient machen. Mehmet Scholl sprach infolge des Spiels von einem überstandenen Ganzkörperkrampf, den der arme Junge da erlitten habe. Eine schöne Formulierung für eine ziemliche fiese Situation, die wohl auch jeder Freizeitfußballer unter uns nach drei Stunden Bolzen kennt.
Als ich den kleinen Ousmane so über das Feld humpeln sah, musste ich sogleich an ein Fußballerlebnis denken, welches nicht nur für mich legendär wurde. Es begab sich im Sommer 2006 in einer Zeit als noch niemand über den Mythos des Sommermärchens schwadronierte. Denn abseits der Weltmeisterschaft hatte dieser Sommer schon sein legendäres Momentum hinter sich gebracht. Im FA-Cup-Finale zwischen Liverpool und West Ham United, dass unter den Liverpool-Anhängern seither als das „Gerrard-Spiel“ bekannt ist, machte sich eben jener Steven unsterblich. Liverpool lag schnell 0:2 zurück, bevor er sich aufmachte das Spiel zu drehen. Mit einem großartigen Pass hebelte er die gesamte Hintermannschaft West Hams zum Anschlusstreffer aus, um dann im Laufe der zweiten Halbzeit mit einem fulminanten Dropkick zum Ausgleich einzunetzen. West Ham schlug jedoch zurück und ging wieder in Führung, die bis in die Schlussminute hielt. Steven Gerrard rackerte bis zum Umfallen und hatte in der Schlussphase des Spiels mit mehreren Krämpfen zu tun. Nichtsdestotrotz stand er immer wieder auf und versuchte seine gewaltige Schusskraft gewinnbringend für die Reds einzusetzen. Jeder von uns kennt die muskuläre Belastung, wenn man nach einem Krampf wieder in den Sprint geht oder sogar noch einen Vollspann-Schuss abgibt. Die sofort eintretenden Schmerzen des zumachenden Muskels sind höllisch. Gerrard aber setzte dennoch immer wieder zu dem ein oder anderen Versuch aus der zweiten Reihe an. Aus schierer Verzweiflung ballerte er unentwegt die Bälle aufs gegnerische Tor. Ich war – ehrlich gesagt – nahezu entsetzt ob der Kompromisslosigkeit im Zuge des totalen Spielwahns. Von weiteren Krämpfen geplagt, konnte er in der Schlussminute der regulären Spielzeit mit dem letzten Kraftakt und einem Wahnsinnstor den umjubelten Ausgleich erzielen. Liverpool rettete sich danach mit einem nicht mehr mobilen Gerrard in das Elfmeterschießen. Steven Gerrard trat natürlich an…
Football, bloody hell!
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