Es war zu Beginn der zweiten Hälfte, als im Westfalenstadion die Banner eingerollt wurden, die Fahnen eingepackt und der Support weitestgehend eingestellt wurde. Auf der Südtribüne ereigneten sich tragische Vorfälle. Ein 79jähriger Zuschauer erlitt einen Herzinfarkt und verstarb trotz Reanimationsbemühungen kurz darauf. Darüber hinaus erlitt ein weiterer Zuschauer offenbar einen Schlaganfall, konnte jedoch im Krankenhaus glücklicherweise stabilisiert werden. Das Schicksal zweier Zuschauer versetzte das gesamte Stadion allmählich in einen gewissen Schockzustand. Schrecklich genug zu erleben, wie neben einem ein Mensch stirbt, so absurd erscheint das freudige Beklatschen fußballspielender Mannschaften auf dem illuminierten Feld. Faszinierend ist, dass dieser Vorfall nicht in der Masse der Stadionbesucher und vor allem in der plötzlichen Nebensächlichkeit des Spiels unterging. Die Fans schwiegen, sie verfolgten in besinnnlicher Ruhe das Spiel, wohl auch weil es keine geeignete Alternative gab, um mit dieser Situation umzugehen. Die Verletztlichkeit des Lebens gehört zu unserer Existenz und wird dennoch stets überraschend offenbar. Es gilt damit einen Umgang zu finden – individuell und kollekt, nah und fern. Das persönliche Schicksal steht über dem kollektiven Rausch und eben deshalb stellt die gemeinsam gelebte Geste des Publikums der gestrigen Bundesliga-Partie zwischen Borussia Dortmund und Mainz 05 eine außerordentliche Solidarisierung dar. In ergreifender Weise verharrten die Menschen auf ihren Plätzen und beobachteten distanziert den sportlichen Alltag im stillen Gedenken, um eben diesen in den letzten Minuten des Spiels aufzugeben. Der gemeinsame Gesang der Hymne „You´ll never walk alone“ offenbarte die ungeheure emotionale Kraft der Gemeinschaft, die auch individuelle Schicksalsschläge kollektiv auffängt. Auch die Mainzer Fans stimmten in den Chor mit ein – es geht bei der Gesundheit eben um mehr als sportliche Konkurrenz. Das Publikum oder die Fans sind eben nicht nur eine kollektivierbare Masse, sondern vielmehr ein Organismus zahlreicher Individuuen. Der Respekt vorm Leben vereint, die Kraft des Sports obliegt in der gemeinsamen Emotion. Beeindruckend.
Für die Spieler auf dem Feld mag die Situation ob ihrer Unkenntnis der Ereignisse skurril erschienen sein. Offenbar bemerkten sie die angespannte Stimmung im Stadion und leisteten Dienst nach Vorschrift, keine übertriebenen Zweikämpfe, kein überbordender Jubel. Schön, wie sensibel Menschen untereinander umgehen, aufeinander reagieren und gemeinsam die eigene Befindlichkeit zurückstellen können.
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