Der Münchner Olympiapark gehört zu den beliebtesten Attraktionen der bayerischen Landeshauptstadt. Nur Geld bringt er leider kaum ein. Der Berliner Senat sollte sich in München noch einmal umsehen, bevor er Hertha BSC ins Umland vertreibt.
von Björn Leffler
In der Welt wurde in dieser Woche über das „strahlende Beispiel“ München berichtet. Strahlend, weil die Olympia-Anlagen der Olympiastadt von 1972 noch heute in sehr solidem Zustand sind und sich damit deutlich positiv von Negativ-Beispielen wie Rio, Athen oder auch Peking abheben. Derzeit wird sogar diskutiert, ob das seit 1997 unter Denkmalschutz stehende Areal zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt werden soll.
Das ist natürlich alles sehr schön für die bayerische Landeshauptstadt. Der Artikel zeigt aber auch ein paar andere Wahrheiten auf. Unter anderem nämlich jene, dass es um sportliche Highlights auf dem Olympiapark-Gelände eher schlecht bestellt ist. Im Olympiastadion findet in Kürze ein Rugby-Spiel statt, bei der Handball-WM 2019 sollen einige Vorrunden-Spiele in der Münchner Olympiahalle ausgetragen werden, und aktuell bewirbt man sich um die Jugendspiele 2023.
Man kann nicht unbedingt behaupten, dass einen diese sportlichen Veranstaltungen umhauen. Das einzige, was der Münchner Olympiapark GmbH ab und an Geld in die Kassen spült, sind die Open-Air-Konzerte, die im Olympiastadion im Sommer hin und wieder stattfinden. Obwohl das 85 Hektar große Areal im Norden der Stadt zu den beliebtesten Touristen-Zielen der Stadt gehört, lassen sich durch die Besucher des frei zugänglichen Parks kaum finanzielle Erlöse erzielen.
Schön, aber weitgehend ungenutzt: das Münchner Olympiastadion
Dass sich der Status Quo heute so darstellt, liegt an einer schicksalhaften Entscheidung, die im Dezember 2000 gefällt wurde. Der FC Bayern München, bis 2005 gemeinsam mit dem TSV 1860 München Hauptmieter des Olympiastadions, hatte schon seit längerem mit einem Auszug aus der Leichtathletik-Arena und einem Stadion-Neubau kokettiert. Letztlich aber war es der Stadt als Eigentümer des Stadions gelungen, einen Kompromiss auszuhandeln. Das Stadion sollte umgebaut und komplett überdacht werden. Beide Vereine waren seinerzeit bereit, im modernisierten Olympiastadion zu verbleiben. Im letzten Moment jedoch verweigerte der mittlerweile verstorbene Günter Behnisch, Mitarchitekt des Olympiaparks und Inhaber der Urheberrechte, einen Umbau der Leichtathletik-Arena.
Die Pläne blieben ein Luftschloss: so sollte das umgebaute Münchner Olympiastadion aussehen / Bild: ag.rtr
Bayern München und der TSV 1860 entschieden sich daraufhin für einen Neubau vor den Toren der Stadt, in Fröttmaning, wo beide Vereine seit 2005 in der Allianz Arena spielen. In einer hochmodernen, reinen Fußball-Arena. Bauliche Veränderungen dürfen im Olympiapark weiterhin nicht oder nur unter strengen Auflagen vorgenommen werden. Der Erhalt des Bestehenden ist das einzige, was in München die Aufgabe der Olympiapark GmbH ist. Das kostet die Stadt jedes Jahr viel Geld, ohne dass nennenswerte Einnahmen auf der Habenseite gegenüberstehen.
Die Berliner Senatsvertreter, die sich in den kommenden Monaten mit der Thematik Stadion-Neubau von Hertha BSC auseinandersetzen werden, sollten vielleicht noch einmal eine Stippvisite in die bayerische Landeshauptstadt unternehmen, um sich die dortige Situation etwas genauer anzusehen. Sollte der Senat eine komplette Verweigerungshaltung einnehmen – also einen Neubau eines Fußball-Stadions neben dem Olympiastadion genauso ablehnen wie den Umbau der altehrwürdigen Leichtathletik-Arena in ein reines Fußball-Stadion – könnte Berlin eben jenes Szenario blühen, wie es heute in München bereits traurige Realität ist.
Der Olympiapark mit seinem Olympiastadion würde zur reinen Touristenattraktion mit gelegentlichen Veranstaltungen (DFB-Pokalfinale, seltene Länderspiele und Konzerte) degradiert werden. Der Hauptmieter Hertha BSC, der bis zu 20 Spiele pro Jahr mit einem durchschnittlichen Zuschaueraufkommen von 50.000 Besuchern garantiert, hat mehrfach betont, dass der Umzug in den Industriepark Ludwigsfelde eine ernst gemeinte Alternative ist, sollte sich keine Lösung auf Berliner Stadtgebiet finden.
Mit anderen Worten: Bleibt der Senat in dieser Frage hart, wird Hertha bis 2025 sein Stadion mit großer Wahrscheinlichkeit im Berliner Umland, in Brandenburg also, errichten. Werner Gegenbauer und Michael Preetz haben mehrfach betont, dass es sich bei diesen Plänen mitnichten um eine reine Drohkulisse handelt, sondern um einen realistischen Plan B. Dass der Senat kein zusätzliches Stadion auf dem Gelände des Olympiaparks gebrauchen kann, ist sehr gut nachvollziehbar. Denn auch mit dieser Variante würden dem Senat Einnahmen in Millionenhöhe verloren gehen, selbst wenn Hertha sich verpflichtete, eine bestimmte Anzahl von Spielen weiterhin im Olympiastadion auszutragen.
Steht unter Denkmalschutz: das Olympiapark-Gelände mit dem Olympiastadion als Herzstück
Im Unterschied zu München unterhält Berlin mit dem Olympiastadion eine von der UEFA mit der Höchstzahl von fünf Sternen ausgezeichnete, hochmoderne Multifunktionsarena, die allen internationalen Standards gerecht wird – aber eben über eine Laufbahn verfügt. Will heißen: das Stadion kostet der Stadt Berlin deutlich mehr Geld als das Olympiastadion in München, das technisch maximal auf dem Stand der frühen neunziger Jahre ist (was der Arena auch anzumerken ist). Es ist also zu erwarten, dass das Olympiastadion bei einem Auszug von Hertha BSC zu einem „Millionengrab“ wird, verursacht durch die hohen laufenden Kosten für die Edel-Arena im Berliner Westend.
Um aus diesem Dilemma herauszukommen, müsste der Senat über seinen Schatten springen und einem Umbau der Arena in ein reines Fußballstadion ohne Laufbahn zustimmen. Dies wäre eine Lösung, die sich auch Hertha-Manager Michael Preetz sehr gut vorstellen könnte, wie er bereits in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel Anfang des Jahres verdeutlichte. Nur müsste man sich dann gegen die zu erwartenden wütenden Proteste des Denkmalschutzes durchsetzen, so viel ist sicher.
Der Senat aber muss wissen, was er möchte: eine profitable Arena, die den heutigen Ansprüchen an eine Veranstaltungs- und Sportstätte genügt, oder eine hübsche, denkmalgerechte, aber gravierend teure Leichtathletik-Arena, der ein Hauptnutzer und regelmäßige Einnahmen fehlen. Dass man beim Thema Olympiastadion-Umbau nicht den strengen Regularien wie im Fall der Münchner Arena unterliegt, zeigt allein die Tatsache, dass das Stadion schon 1974 (Überdachung der Haupt- und Gegentribünen) und 2005 (Neubau des Unterrings, vollständige Überdachung der gesamten Arena) architektonisch gravierend verändert und an die modernen Anforderungen angepasst wurde.
Der ehemalige Stadtentwicklungssenator Geisel, mittlerweile Innensenator der Stadt, hatte das dann zuletzt gegenüber der B.Z. auch deutlich geäußert: „Vielleicht ist auch ein Umbau des Olympiastadions möglich.“ Es wäre nicht der erste Umbau dieser geschichtsträchtigen Arena. Geisel, der in seiner Zeit als oberster Stadtentwickler häufig durch seinen Pragmatismus und zielführende Kompromiss-Lösungen aufgefallen ist, hat also bereits öffentlich geäußert, was viele denken. Im Berliner Senat sollte man ihm in den kommenden Wochen und Monaten wohl gut zuhören. Es stehen schicksalhafte Entscheidungen an, die als Wegweiser für die Zukunft des Olympiastadion-Areals zu betrachten sind.
Wo das enden kann, ist seit 2005 in München sehr schön zu beobachten. Aber vielleicht könnte sich Berlin mit seinem historischen Olympiapark bei der UNESCO dann irgendwann auch mal um den Status „Weltkulturerbe“ bewerben. Als Trostpflaster dafür, dass Hertha BSC dann nicht mehr in Charlottenburg spielt, sondern im brandenburgischen Ludwigsfelde.
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