Play, Pause, Record, Stopp!

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Früher war alles ganz einfach: Wenn ein großes Spiel anstand, hat man es einfach auf eine Videokassette aufgenommen und konnte es anschließend wieder und wieder ansehen. Alles was einem lästig war, schnitt man einfach raus. Es war die Zeit des wilden Mitschnitt-Anarchismus. Diese Zeiten sind längst vorbei, und das ist wirklich zu bedauern!

von Björn Leffler

Einen Videorekorder konnte wirklich jeder bedienen, jeder. Na gut, bis auf meinen Vater, aber der stand mit Technologie jedweder Art seit jeher auf dem Kriegsfuß. Der Siegeszug der Smartphones war eine echte Herausforderung für ihn. Für uns Jungspunde allerdings, die wir Mitte der 90er Jahre in die große Fußballbegeisterung hineinwuchsen, war die Bedienung eines VHS-Gerätes längst gängige Praxis – war es doch quasi deckungsgleich mit der Bedienung eines anderen legendären, ebenfalls längst in Vergessenheit geratenen Gerätes: dem Kassettenrekorder.

Während jener Kassettenrekorder nurmehr den Mitschnitt dramatischer Radio-Liveübertragungen ermöglichte (was auch eine Kunst für sich war), war der Videorekorder sein größerer, angeberischer Bruder. Er erlaubte Dir, wirklich alles mitzuschneiden, was Du wolltest – wenn Du besonders findig warst, sogar zeitgesteuert. Serien, Reportagen, Sex-Filme… nichts war vor der willkürlichen Kopierwut pubertärer Jugendlicher sicher.

Das einzige Problem war stets, eine passende Kassette zu finden. Das konnte mitunter sehr lang dauern, denn oft kauften wir uns monatelang keine neuen Kassetten, und so mussten immer wieder ältere Schätze überspielt werden. Je öfter man die Kassette überspielte, desto grauenhafter wurde die Qualität. Das hinderte mich allerdings nicht daran, die Videobänder bis zur Unkenntlichkeit über die Spulköpfe zu peitschen – bis es irgendwann Bandsalat gab!

 

Auf der Suche nach der richtigen Kassette überspielte ich normalerweise irgendwas von meiner Schwester. Eine Folge von „Mein kleines Pony“ oder den Klassiker „Das letzte Einhorn“. Sorry Schwesterherz! Ja, ich geb’s zu – ich war das! Daher habe ich Dir den Film Jahre später dann nochmal auf DVD geschenkt, räusper.

Das großartige an der VHS-Ära war, dass man aufnehmen konnte, was und wie man wollte. Wenn man beispielsweise den (damals) zweiten Teil der STAR WARS-Trilogie aufnahm, musste man sehr treffsicher die drei Werbeblöcke herausschneiden (…drei Werbeblöcke! Bei einem 127-minütigen Film. Wunderbare 90er.). Denn wer wollte schon ständig lästig vorspulen müssen?

Bei Fußballspielen habe ich unterschiedliche Varianten ausprobiert. Um nur die Höhepunkte der Spiele draufzuhaben, habe ich häufig nur solche Szenen aufgenommen, die nach Torgefahr aussahen. Ein äußerst diffiziles Unterfangen, da nahezu jeder Pass aus dem Mittelfeld in eine gefährliche Toraktion münden konnte, wie ich schnell feststellte. Diese Mitschnitte waren dann nicht selten 50 Minuten lang.

Vor allem bei großen Halbfinals oder Endspielen war es mir hingegen immer wichtig, die gesamte Vorberichterstattung aufzunehmen, um sie mir im Nachhinein noch einmal in Ruhe anzusehen – wenn das Spiel denn gut ausgegangen war. Ansonsten wurde die Kassette natürlich schnell wieder überspielt. Die Möglichkeit, völlig frei entscheiden zu können, was ich aufnehmen möchte, und was nicht, führte beispielsweise dazu, dass ich die komplette, später mit dem Grimme-Preis gewürdigte Reportage von Günter Jauch und Marcel Reif beim „Torfall von Madrid“ mitgeschnitten habe. Glücklicherweise hatte ich an diesem Abend eine 240-Minuten-Kassette eingelegt.

Andernfalls konnte es nämlich passieren, dass man ein Spiel auch mal auf mehrere Kassetten verteilen musste, wenn es dann doch unerwartet in die Verlängerung und sogar noch ins Elfmeterschießen ging und ich nur 120 Minuten auf Band hatte. Dann kam es oft zu hektischen Suchbewegungen im Videoschrank, auf der Suche nach irgendeiner Pony-Folge, die noch überspielt werden konnte.

Eines Tages jedoch, ich meine es muss Ende der 90er Jahre gewesen sein, kündigte sich zart der Niedergang der VHS-Hochkultur an. Plötzlich hieß es, wir müssten uns CD’s einlegen, und diese würden uns dann den Film zeigen, in viel besserer Qualität und so. Die hießen natürlich nicht CD, sondern DVD. Ich sagte „Ja ja, das ist ja schön und gut, aber kann ich mit denen auch aufnehmen?“ Das konnte mir lange Zeit niemand beantworten. Und vor allem in den Anfangsjahren ging es schlicht und ergreifend auch nicht.

Später konnte man sich dann teuer einen DVD-Rekorder zulegen, aber irgendwie war es für mich nicht das gleiche. Es war komplizierter und weniger kreativ, alles war statisch vorgegeben und technisch reglementiert. Ein Videorekorder war eine Art eigenes Mischpult, genauso wie der Kassettenrekorder. Als die digitale Revolution einschlug, wurde die simple Welt der vier Tasten – Play, Pause, Record, Stopp – einfach so über Bord geworfen.

 

Ich bin lange nicht darüber hinweg gekommen, dass das Spiel Hertha BSC gegen den AC Mailand aus der Champions-League-Saison 1999/2000 meine letzte Videoaufnahme gewesen sein sollte. Nein, halt! Auch das Spiel gegen den FC Barcelona aus derselben Saison hatte ich aufgenommen, aber aus nebulösen Gründen löschte ich das Video wieder.

Die Videos habe ich lange aufbewahrt, auch als ich längst keinen Videorekorder mehr besaß. Es ist Leuten wie mir zu verdanken, dass Youtube heute nur so wimmelt von großartigen Videoaufnahmen der vordigitalen Fußballzeit. Beispiele dafür gibt es natürlich zu Hauf, hier nur eine ganz kleine aber charmante Auswahl:

Das legendäre Synthesizer-Sportschau-Intro aus dem Jahre 1993:

Drei Jahre später zeigten die Kollegen von SAT.1, wie man es deutlich bunter machen kann:

Bundesliga-Herzschlagfinale, 33. Spieltag der Saison 1994/95 – „RAN SAT.1 Fußball“ setzt neue Maßstäbe in Sachen Dramaturgie:

1997/98: Die gerade erst wiederaufgestiegene Berliner Hertha gewinnt gegen arrogante Bayern mit 2:1, im ausverkauften Olympiastadion:

Heute, im Jahre des Herrn 2016, haben wir auch die DVD beinahe schon wieder überlebt. Im Zeitalter von Sky Cinema, Amazon Prime und Netflix ist jeder Gang in die Videothek (der Name immerhin ist geblieben!) eine Art prähistorisches Erinnerungsritual. Aber der digitale Fortschritt hat nun endlich auch seine guten Seiten hervorgebracht! Was früher der Videorekorder war, ist heute wohl der Festplattenrekorder. Und unter denen gibt es einige, die ein ähnlich anarchistisches Aufnahme-Erlebnis ermöglichen, wie es damals mit meinem geliebten „VHS-Mischpult“ möglich war.

Für alle, die sich wie ich zu den technisch eher halbseidig interessierten Bewohnern des Planeten zählen, gibt es heute glücklicherweise das Internet und diverse Vergleichsportale, um sich das richtige Gerät herauszusuchen, ohne eine „Computer Bild“ oder sowas kaufen zu müssen (…wie war das gleich mit den 90ern?). Wie beispielsweise die Jungs von netzsieger.de, die sich erst kürzlich auf ihrer Seite mit dem besten Festplattenrecorder auseinandergesetzt haben.

Schade ist nur, dass man sich nun gar nichts mehr ins Regal stellen kann, sondern dass alles, was einem lieb und teuer ist, auf einen Chip oder eine Festplatte passt. Aber das ist vermutlich eine Sicht, die daher rührt, dass mein erstes Handy noch eine Antenne und die Form eines Vierkantholzes hatte. Trotzdem verweigere ich mich den neuen, digitalen Möglichkeiten nicht und bestell mir mal so’n Teil! Wäre ja irre, wenn in Madrid wieder ein Tor umfällt und ich das dann nicht auf Band bzw. Festplatte hab. Das könnte ich mir selbst nie verzeihen.

 

Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung von netzsieger.de

 

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