Ein Spiegelbild unserer überdigitalisierten Gesellschaft, am Beispiel des Fußballkonsums im 21. Jahrhundert
von Björn Leffler
Ich sage es gleich zu Beginn, ich bin absolut nicht altmodisch. Ich besitze ein handelsübliches Smartphone, ein Notebook, ein Tablet und bin beruflich im Medienbereich tätig. Ich nutze die Errungenschaften der digitalen Welt selbst intensiv und mag die Vorteile, die diese Geräte oder Technologien und die vernetzte internationale Welt bieten. Dies sage ich gleich vorneweg, damit mir nicht reflexartig vorgeworfen wird, ich würde zu einer Generation zählen, für die die Digitalisierung der Menschheit eine vollkommen fremde, abstrakte Entwicklung darstellt. Dem ist nicht so.
Durch soziale Netzwerke wie Instagram, Twitter oder Facebook, auf denen wir mit DER PANENKA selbstverständlich auch vertreten sind, verändert sich die Wahrnehmung der gesamten Gesellschaft und aller Bereiche des öffentlichen, privaten und gesellschaftlichen Lebens. Der Sport und der Fußball machen da natürlich keine Ausnahme. Es ist mittlerweile völlig üblich, dass einem Künstler auf der Bühne tausend Smartphones entgegengestreckt werden, und so sieht man auch im Stadion, in Kneipen oder beim Public Viewing an was-weiß-ich-für-einem-Ort haufenweise Menschen, die während der Spiele – nehmen wir jetzt mal die Spiele der deutschen Nationalmannschaft bei dieser Europameisterschaft – an ihren kleinen und größeren Bildschirmen hängen, anstatt einfach nur das Spiel zu schauen.
Dies erklärt dann auch, wie es möglich ist, dass Fußballspiele auf der Plattform Twitter quasi in Echtzeit kommentiert und begleitet werden, von Millionen von Usern. Es wird gepöbelt, getrauert, gelacht, verhöhnt und vor allem gehashtagt bis der Arzt kommt. Das Spiel lässt sich im Nachhinein, sollte man es verpasst haben, allein durch die Twitterlist nachverfolgen und -erleben. Als ich das Spiel der Schweizer Nationalmannschaft gegen Frankreich verpasst hatte, fand ich abends dann ein Bild eines Nudistenspiels, welches mit „Die Schweizer Nationalmannschaft nach dem Spiel“ unterschrieben war, was mich dann recht schnell auf das Thema „sieben zerrissene PUMA-Trikots“ brachte.
Was im Nachhinein recht amüsant zu lesen ist, ist dennoch ein Ausdruck dessen, was unsere Gesellschaft mehr und mehr prägt: die schon längst völlig normale Sucht nach Social Media, Kommunikationsgeräten und Internetkonnektivität. Da will ich mich auch überhaupt nicht ausnehmen, denn das wäre brutal heuchlerisch. Ich bin da voll dabei, voll mit drin. Es geht eigentlich auch gar nicht anders.
Aber es gibt eindeutig Grenzen. Die muss es geben. Es muss im Leben Situationen geben, in denen das Smartphone kein Bestandteil des Tuns, Handelns und Denkens sein sollte. Für mich ganz persönlich ist das beispielsweise Sex, Autofahren und – natürlich – ein Fußballspiel meiner Mannschaft. Denn diese Dinge erfordern meiner Meinung nach volle Konzentration auf das Wesentliche und würden durch dauerhaftes Ablenken völlig zerstört und – im Falle des Autofahrens – sogar lebensgefährlich werden. Dass man in Berlin an jeder dritten Ampel ein Auto anhupen muss, dessen Fahrer mit gesenktem Kopf auf seinem Smartphone herumtippt, ist übrigens auch so eine völlig kranke Erscheinung unserer heutigen Gesellschaft.
Wir bleiben aber mal beim Fußball. Auch im Stadion ist es immer häufiger der Fall, dass es den Leuten nicht mehr gelingt, die Aufmerksamkeit für zumindest 45 Minuten auf das Spielfeld und das Spiel zu fokussieren. Oder einfach mit seinem Sitznachbarn – im Idealfall über das Spiel – zu quatschen. Nein, es wird gescrollt, getwittert und gepostet was das Zeug hält. Und natürlich fotografiert. Ich erinnere mich daran, dass wir am sechsten Spieltag ein schweres Heimspiel gegen den 1. FC Köln zu absolvieren hatten und mein Hintermann mir ständig ins Ohr brüllte, während er mir sein Smartphone ins Gesicht hielt, um mir mitzuteilen, dass Robert Lewandowski schon wieder ein Tor gegen Wolfsburg erzielt hatte. Was mir in diesem Moment mehr als scheißegal war – wie ich unmissverständlich und rein verbal kommunizierte – da wir hauchdünn mit 1:0 führten und ein verdammt enges Match sahen. Als Ibisevic dann das 2:0 erzielt hatte und wir uns alle in den Armen lagen, sah ich, wie mein Hintermann noch immer auf seinem Smartphone herumtippte.
Und ich dachte nur: Wo soll das eigentlich noch alles hinführen? Dazu kommt, dass die nun heranwachsenden Generationen überhaupt gar keine Chance hat, sich von der allzeit präsenten Technik zu emanzipieren. Ganz im Gegenteil, sie ist zentraler Bestandteil ihres Denkens, Handelns, Tuns.
Aber es gibt ja immer Mittel und Wege, ihnen diese Chance zu eröffnen. Daher gibt es nun eben für vier Wochen unser PANENKA EM Stübchen, in dem sich Fußball auf Röhrenfernsehern schauen lässt und wo man zusammensitzt und sich unterhält – von Angesicht zu Angesicht, auch wenn das ziemlich krass ist. Macht ab und an aber tatsächlich krass Spaß. Wir laden jeden ein, der eine kleine Flucht aus der digitalisierten Welt machen will. In der Sonntagstraße 7 am Ostkreuz gibt es die kleine Bar „Sieben“, unser EM-Zuhause und ein kleines Stückchen Welt, wie sie einmal war. Und vermutlich nie wieder sein wird. Irgendwie besorgniserregend. Also kommt schnell, solange die Flucht noch möglich ist!
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