Fans von Hertha BSC haben es aktuell nicht leicht. Mit fünf Niederlagen aus den letzten sieben Spielen scheint der Hauptstadtclub gerade seine Europapokal-Ambitionen zu verspielen. Dass es aber noch viel bitterer geht, zeigt ein Blick in meine ganz persönliche Fan-Vergangenheit…
von Björn Leffler
Ich lag völlig ermattet darnieder. Eine schwere Magen-Darm-Grippe hatte mich fest im Griff und machte mir die Tage und Nächte Ende Februar 2003 zur Hölle. Alles was ich am Abend des 27. Februar wollte, war schlafen. Denn ich war völlig hinüber.
ABER: Schlafen verbot sich selbstverständlich, da meine Hertha im Rückspiel des UEFA-Cup-Achtelfinales bei Boavista Porto anzutreten hatte. Im Hinspiel sieben Tage zuvor – da war ich noch kerngesund und voller Energie – hatte Hertha nach spektakulärem Spielverlauf durch zwei Alves-Treffer und ein Last-Minute-Tor von Dick van Burik mit 3:2 über die Portugiesen triumphieren können. Es war also ein enges Rückspiel in Portugal zu erwarten.
Da Boavista Porto neben dem großen Bruder FC Porto in der portugiesischen Hauptstadt kaum eine Rolle spielte (und wohl auch Hertha kein Gegner war, der ein Stadion füllen konnte), fanden sich kaum mehr als 5.000 Zuschauer zum Rückspiel ein. Hertha winkte das lukrative Viertelfinale, die Runde der letzten acht. Einzig und allein dieses Spiel vor einer geradezu lächerlichen Kulisse trennte uns von großen Europapokal-Duellen mit möglichen Gegnern wie Celtic Glasgow, Lazio Rom, dem FC Liverpool oder – natürlich – dem FC Porto.
Auf dem Weg ins Viertelfinale? Alex Alves im Dress von Hertha BSC, 2002/03
Meine Hoffnung, dass Hertha meine sprichwörtlichen Magenschmerzen mit einem frühen Tor würde lindern können, verflogen schnell. Offensichtlich hatte der erst seit dem 6. Februar beschäftigte Cheftrainer Falko Götz vor, den knappen Vorsprung über die gesamte Zeit von 90 Minuten zu bringen.
Während eines Spiels, welches so elendig schlecht, zäh und langwierig war, wie mein eigenes Magen-Darm-Leiden, krampfte sich Hertha derartig desolat durch die Partie, dass es schlichtweg nicht mit anzusehen war. Zumal mit einem Magen-Darm-Trakt, der dauerhaft kurz vor dem Kollaps stand.
Aber was blieb mir schon übrig? Ich litt in doppeltem Maße – als Fan dieser verbissen kämpfenden aber grauenhaft spielenden Mannschaft, und darüber hinaus einfach nur als Mensch. Die taktische Ausrichtung, sich bei einer derart uninspirierten Truppe wie Boavista Porto allen Ernstes durchmauern zu wollen, ist mir bis heute vollkommen schleierhaft. Man muss sich nur kurz vor Augen führen, welche qualitativ hochwertigen Spieler damals für die Blauweißen auf dem Feld standen: Marcelinho, Preetz, Alves, Friedrich, Simunic oder Goor sind nur einige der Namen einer mehr als soliden Hertha-Auswahl.
Dennoch wollte oder konnte sich die Mannschaft nicht dazu aufraffen, auch nur einen vernünftigen Angriffsversuch auf das Tor der Portugiesen zu unternehmen. Durch das 3:2 von vor einer Woche war man ja beim Stande von 0:0 für das Viertelfinale qualifiziert. Aber es war ein Spiel mit dem Feuer, und ich rollte mich leidend auf meiner Couch von links nach rechts, denn ich wollte eigentlich nur in mein Bett und schlafen. Aber Hertha ließ mich noch mehr leiden als mein Magen, und das sollte schon was heißen.
Aber, natürlich – wir sprechen ja über Hertha BSC – sollte es noch schlimmer kommen. In einem Spiel, welches 85 Minuten lang ohne nennenswerte Torchance auf beiden Seiten auskam, gelang den Portugiesen fünf Minuten vor dem Ende ein Tor nach einem Eckball. Und damit war Hertha raus. Die nun folgenden, stümperhaften Versuche, doch noch den Ausgleich zu erzielen, gaben mir und meinem Magen (und meinem mindestens ebenso desolaten Nervenkostüm) den Rest. Porto gewann 1:0, und wir waren wieder einmal gescheitert. Klar, was sonst. We try, we fail.
Das 0:1 in Porto bleibt bis heute eine der am schwersten zu verdauenden Niederlagen in meiner persönlichen Laufbahn als Hertha-Anhänger, natürlich aufgrund der im wahrsten Sinne des Wortes üblen Begleitumstände.
Boavista Porto gelang im Viertelfinale übrigens ein dramatisches Weiterkommen (im Rückspiel erst im Elfmeterschießen) gegen den FC Malaga und scheiterte erst im Halbfinale denkbar knapp (1:1, 0:1) an Celtic Glasgow. Den Cup holte am Ende dann der FC Porto, der im Finale 3:2 nach Verlängerung über die Schotten triumphierte und damit Europapokal-Geschichte schrieb.
Wer weiß, ob Hertha BSC in diesem Jahr auch Europapokal-Geschichte hätte schreiben können. Aber es blieb einmal mehr beim Konjunktiv. Das Team erreichte am Ende der Saison erneut den UEFA-Cup und trat in der Spielzeit 2003/04 wieder auf internationalem Parkett an, nur um direkt in der ersten Runde an Dyskobolia Grodzisk zu scheitern (0:0, 0:1). Aber das ist nun wieder eine andere – ebenso schwer verdauliche – Geschichte.
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