DER PANENKA on tour – Dortmund

Avatar von Björn Leffler

Letzten Freitag machten wir der selbsternannten Hauptstadt des Fußballs unsere Aufwartung und pilgerten zum abendlichen Spiel des BVB gegen den SC Freiburg. Im Vorfeld des Spiels tauchten wir selbstverständlich in die Stadtkultur ein und versuchten die Witterung aufzunehmen, worin denn nun die Besonderheit dieser Fußballmetropole so liegen mag.

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Unser Abend in der Fußballhauptstadt Deutschlands begann mit einer überraschenden Erscheinung: Ruud Gullit hinter der Theke. Im Kiosk um die Ecke, wo wir uns berlintypisches Weggetränk käuflich erworben, standen wir Angesicht zu Angesicht mit einem Doppelgänger der niederländischen Fußballlegende Ruud Gullit. Die Ähnlichkeit war so verblüffend, dass die Vermutung nahe lag, dass Rudi Völler nun auch noch gleich den Laden betreten würde und sich mit Ruud über alte Zeiten und optimale Flugkurven von Wurfgeschossen unterhalten würde. Ruud jedenfalls agierte in bester Kioskmanier, verkaufte uns seine kalten Getränke, erfreute sich an unserer offenkundigen Fremdheit in der Stadt und wünschte uns zu guter Letzt viel Spaß im Stadion. Der Auftakt ins Fußballwochenende war gemacht.

Unser Nachtquartier in der Dortmunder Nordstadt unweit des Borsigplatzes provozierte geradezu eine Stadterkundung auf dem Weg zum im Süden Dortmunds gelegenen Westfalenstadion. Unser Weg Richtung Zentrum führte uns entlang von Verkehrsschneisen, Videotheken und der funktionalen Architektur des Wiederaufbaus der 1950er und 1960er Jahre. Besonders warm wird man mit Dortmund nicht auf den ersten Moment, insbesondere da kaum Menschen auf den Straßen rund um die Altstadt auszumachen sind und die Bürgersteige wohl eher als Straßenbegrenzung taugen als für das entspannte Flanieren.

Am Altmarkt angekommen wurde erstmals deutlich, dass am Abend hier noch eine sportliche Veranstaltung anstehen würde. Die Kneipen und Restaurants waren prall gefüllt mit schwarz-gelber Anhängerschaft, die entspannt den Auftakt des Wochenendes entgegen schipperten. Direkt am Altmarkt gelegen und damit mitten im Stadtkern Dortmunds liegt auch der größte Dortmunder Fanshop, der insbesondere am Spieltag zum Erwerb der letzten stadiontauglichen Utensilien lockt. Insgesamt war die Dortmunder Innenstadt geprägt von einer entspannten und zuversichtlichen Atmosphäre. Die Fans des SC Freiburg wurden gelassen aufgenommen, wohl auch weil in der Dortmunder Fankultur die Sorge einen unbequemen Abend zu verleben relativ klein war. Auf dem Weg ins Stadion verdichtete sich dann zunehmend der Strom schwarz-gelb gekleideter Fußballanhänger. Am Firmament tauchten die Pfeiler des Westfalenstadions auf.

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Wenn man das Westfalenstadion erreicht, ist man immer wieder verwundert über die Enge der Arena, in der dennoch so viele Menschen Platz finden. Durch eine geschickte Wegeführung und Blockeinteilung gelingt es in Dortmund dennoch, dass sich selbst bei den Menschenmassen kaum menschliche Trauben oder Staus bilden. Die autogerechte fließende Stadtstruktur findet sich sozusagen auch im Stadion wieder. Durch funktionale Treppenaufgänge, die an Parkhäuser erinnern, steigen wir auf zu den obersten Rängen im Nordosten der nunmehr als Signal-Iduna-Park bezeichneten glorreichen Spielstätte des BVB. Auf jeder Ebene sind zahlreiche Verkaufsstände für Getränke und Essen zu finden und entgegen des landläufigen Trends ist auch die Barzahlung weiterhin möglich. Die Preise entsprechen dabei einem gehobenen Durchschnitt – machbar. Außerhalb der Arena gibt es die typischen Verkaufsstände von Bratwurst, Bier und Fanutensilien und das BVB-Museum zur Verknüpfung der Geschichte mit der Gegenwart. Kleine Besonderheit: Wer es nicht ins Stadion geschafft hat, den locken direkt am Stadion gelegene Theken mit Fernsehern und Leinwänden, so dass public viewing mit Stadion-Atmosphäre möglich ist.

Das Spiel zwischen Dortmund und Freiburg gehört zu den besseren Bundesliga-Partien. Die Freiburger nutzen anfänglich noch die Konzentrationsmängel der Dortmunder für ein paar gefährliche Vorstöße, bevor sie ob der Kreativität und Schnelligkeit des Angriffsspiels der Borussia das Spiel abgeben müssen. Der Dortmunder Sturmlauf wird kurz vor der Halbzeit erstmalig belohnt. Das Westfalenstadion explodiert während Aubameyang die Vorlage von Dembélé über die Linie drückt. Nach der Pause und dem zweiten Tor des BVB verwalten die Borussen lediglich noch die Führung, so dass sie den Sportclub wieder zurück ins Spiel hievten. Die Stimmung im Stadion ab dem Anschlusstreffer war gefangen zwischen Zuversicht und Sorge, da das Spiel doch ob der Überlegenheit der Borussia schon längst hätte entschieden sein müssen. Wir hatten den Eindruck, dass der Hauptteil der Zuschauer das Spiel schon nach dem 2:0 abgehakt hatte und lediglich noch zum Tore beklatschen zu animieren war. Kaum kam nochmal leidenschaftliche Unterstützung auf, sogar das Aufspringen von den Sitzen war rar gesät und akkurat kurzweilig gehalten. Ein wenig verwöhnt  – so erscheint einem die Anhängerschaft fernab der legendären Südtribüne. Und offensichtlich ist kein Moment zu heilig, um das Stadion schnellstmöglich noch vor allen anderen zu verlassen. Einige erlebten das 3:1 von Guerreiro – wenn überhaupt – nur im Vorbeigehen. „Echte Liebe“ liest sich bei so manchem tatsächlich wie ein Werbe-Gag.

In der hintersten Ecke des Stadions das Spiel verfolgend, wollten wir nach dem Spiel nochmal den Rasen beschnuppern und konnten uns glücklicherweise bis zu den Trainerbänken durchschlagen. Besonderer Faszinationspunkt war dabei das satte Grün im Westfalenstadion, welches trotz absolvierten 90 Minuten wie ein frisch ausgelegter Teppich erschien. Der Dortmunder Kartoffelacker der 90er und frühen 2000er ist wohl endgültig Geschichte.

Zurück in der Innenstadt waren wir überrascht wie abgesehen vom Altmarkt kaum etwas in der Stadt los war. Waren schon keine Jubelgesänge zu hören, so ernüchterte die relativ tot erscheinende Stadt ungemein unsere Stadterkundungswut. Für einen Freitag-Abend war die Stimmung doch sehr gemütlich. Dortmund ging kollektiv ins heimische Bettchen und wir bewegten uns wieder quer durch die Stadt zurück zu unserer Unterkunft.

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Der nächste Morgen stand ganz im Zeichen des Borsigplatzes, dem zentralen Bezugsort der Gründung von Borussia Dortmund. Die Kneipe, in der dieser bedeutende Akt vollzogen wurde, existiert jedoch heutzutage nicht mehr – lediglich anhand einer Informationstafel werden Unwissende in Kenntnis gesetzt.  Dass der Platz dennoch eine große Bedeutung für den BVB hat erkennt man an den zahlreichen gelben Flaggen mit BVB-Emblem und der schwarz-gelben Markierung der öffentlichen Infrastruktur. Der Borsigplatz ist der größte Kreisverkehr der Stadt Dortmund und diente bei den Meisterfeiern als Rundstrecke der feierwütigen Borussen. Als ob letzte Woche eine Titelfeier stattgefunden hätte, sah auch der Rasen des binnenliegenden Platzes aus. Ein Kartoffelacker feinster Güte, der ein wenig dann doch wieder an den ehemaligen Rasen des Westfalenstadions erinnerte und damit an Zeiten als noch keine Beleuchtungsanlagen das heilige Grün zum Wachstum motivierte. Der Borsigplatz macht die Verknüpfung des Vereins mit der Stadt deutlich. Um so mehr verwundert es, dass dies durch den Verein selbst so wenig akzentuiert wird. Kein Museum und kein Fan-Shop sind zu finden, dafür aber gelebte Stadtkultur des Fußballs. Ein spannender Ort mit unserem Klischee entsprechenden Menschen des Ruhrpotts. Die Kultur des Arbeitens und der schlichten Gelassenheit trotz einer komplexer werdenden (Fußball-)Welt. Ab und zu widerfährt einem der Eindruck, dass an diesem Ort die Zeit stehen geblieben ist und Borussia Dortmund der einzige zukunftsträchtige Aspekt dieser Stadt sein könnte.

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Dementsprechend stark ist auch der Fokus in Dortmund auf die Borussia. Die Stadt ist fest in der Hand der Borussia – zumindest wenn Spieltag ist. Und dies ist ja in den letzten Jahren relativ häufig der Fall. In Dortmund zählt eigentlich nur der BVB, da können auch einige Gelsenkirchener Autokennzeichen und ein paar wenige besonders Mutige in blau-weißen Jogginganzügen auch nicht drüber hinwegtäuschen.

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