Das ewige Murmeltier-Thema: Ost gegen West

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von Björn Leffler

Der Tagesspiegel hat also mal ganz tief in die Analyse-Kiste gegriffen und die Spielstatistiken aller Berliner Amateuermannschaften unter die Lupe genommen, die im Pflichtspielbetrieb auf Großfeld gegeneinander antreten. Erstaunliches ist da zutage getreten, nämlich: „Ostmannschaften (ja, so nennt der Tagesspiegel sie) kassieren (…) im statistischen Durchschnitt pro Spiel fast eine viertel gelbe Karte weniger als Mannschaften aus dem Westteil der Stadt.

Na dolle wurscht! Unglaublich. Eine komplette viertel gelbe Karte! Da haut’s einen ja geradezu aus den Socken. Oder eher doch nicht? Das dachten sich wohl dann auch die Redakteure des Tagesspiegels, die ihre aufwendige Analyse-Arbeit ja auch nicht umsonst getan haben wollten. Also verstiegen sie sich, natürlich auf der Titelseite der Samstags-Ausgabe, zur boulevardesken Schlagzeile „Ost-Berliner spielen fairer Fußball„.

Das ist vom Niveau her sowieso eine Schlagzeile, die wir eher im Berliner Kurier vermutet hätten, aber bitteschön, es muss ja auch was drin stehen in der Zeitung. Warum nicht auch mal provozieren? Und da ist den Redakteuren des Tagesspiegels leider nichts besseres eingefallen, als aus den Ergebnissen ihrer Amateurfußball-Analyse das ewig-gleiche, längst ermüdende Ost-West-Vergleich-Spiel zu spielen? Sollte es der Anspruch einer überregional ausgerichteten Berliner Tageszeitung nicht eigentlich sein, eben nicht diese immer gleichen Stereotypen zu bedienen? Ich sehe sie schon, die Artikel zum 26. Tag der deutschen Einheit, wo verwundert festgestellt wird, dass wir irgendwie immer noch nicht richtig zusammengewachsen sind, als deutsches Volk, trotz Einheit, Frieden, Wohlstand. Dass wir immer noch auf West und Ost schauen. Den Artikel schreibt dann vermutlich derselbe Autor.

Warum, wenn Ihr Redakteure vom Tagesspiegel schonmal dabei seid, nicht noch etwas weiter gehen in der Analyse? Wie wäre es mit „Die West-Berliner Bratwürste sind leckerer. Im Osten aber sind sie günstiger.“ Oder vielleicht gleich „Die Ostberliner Zuschauer sind gewalttätiger. Und haben einen schlechteren Schulabschluss.“ Oder, wo wir ja gerade bei der tiefgreifenden Analyse sind: „Die Westberliner Fußballer sprechen den schöneren Berliner Dialekt. Und sprechen mehr miteinander auf dem Feld. Im Osten wird mehr geschwiegen.

Wir wollen natürlich nicht unfair sein. Ihr, liebe Tagesspiegel-Redakteure, widmet dem Thema Amateurfußball, Foul- und Fairplay-Statistik eine ganze Doppelseite in Eurer Beilage „Mehr Berlin„. Das finde ich grundsätzlich total klasse. Aber ich glaube, die Leute werden es auch ohne diese peinlich-ketzerische Überschrift aufschlagen und lesen.

Denn vielleicht ist ja viel eher interessant, aus welchem Bezirk die fairsten oder unfairsten Vereine kommen. Mensch, das kann ich ja da auch nachlesen, spannend! Reicht doch völlig aus. Dann verkneift Euch doch bitte die peinlichen Ost-West-Leier, oder meint Ihr dass in einem Bezirk wie Friedrichshain-Kreuzberg oder in Grenzgebieten wie Reinickendorf/Pankow, Neukölln/Treptow oder Wedding/Prenzlauer Berg die Herkunft der Amateurkicker über ihre Art zu grätschen entscheidet?

Wer das glaubt, lebt gedanklich wohl noch immer im Jahre 1989. Das scheint wohl bei einigen Eurer Redaktuere so zu sein, und das spricht nicht unbedingt für den Tagesspiegel. Sehr schade, denn eigentlich lese ich Euch ganz gern.

 

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