Am gestrigen Abend musste ich die Entscheidung fällen, ob ich mich dem ewigen Supercup-Duell der Dortmunder Borussen gegen die „Roten“ aus München widme, oder doch weiter meiner Olympia-Lust fröhnen soll. Die Entscheidung fiel leicht. Und das hat seine Gründe.
von Björn Leffler
Als mich kurz nach 21 Uhr per WhatsApp und Twitter die ersten Unmutsbekundungen über Frank Ribérys rotwürdiges Verhalten während des Supercup-Spiels der Bayern gegen Borussia Dortmund erreichten, spielte ich kurz mit dem Gedanken, doch einmal umzuschalten und zu schauen, was sich im Signal Iduna Park, dem einst als Westfalenstadion bekannten Fußballtempel, gerade so tut.
Der Gedanke verflog jedoch schnell. Erstens fragte ich mich, ob dieses Spiel nicht eigentlich ausfallen müsste, wenn eine Mannschaft sowohl Meister als auch Pokalsieger geworden ist (natürlich ist mir klar, dass aufgrund der ausbleibenden Vermarktungserlöse das Spiel nicht ausfallen kann). Zweitens dann war allein der Gedanke an ein weiteres Duell Bayern gegen Dortmund überhaupt nicht verheißend, sondern eher einschläfernd, vor allem als neutraler Zuschauer. Den Fans von Bayern und Dortmund sei ihr Duell natürlich gegönnt. Es zeigte mir einerseits, dass ich noch keineswegs im Vorfreude-Modus auf die neue Bundesliga-Saison bin. Ob ich den Vorfreude-Modus noch erreiche, bevor die Saison dann abruppt startet, ist schwer zu bezweifeln.
Dass ich mir das Supercup-Duell letztlich nicht ansah, hatte aber einen weiteren, letztlich entscheidenden Grund, und der heißt: Olympia! Parallel zum Spiel lief nämlich das Finale im Kunstturnen der Damen, mit zweifacher deutscher Beteiligung. Natürlich weiß ich, dass nun wieder alle Ressentiments und Klischees hervorgekramt werden und schallendes Gelächter ertönt, wenn man sich vorstellen muss, dass ein Wettbewerb im Kunstturnen dem als „Deutscher Clasico“ hochstilisierten Vorbereitungsspiel vorgezogen wird.
Jene Lachenden und Abwinkenden sollten sich dann gegebenenfalls einfach einmal ansehen, was die jungen Damen dort am Stufenbarren aus ihren Körpern herausturnen, denn da stockt einem der Atem im Minutentakt – vor allem dann, wenn zwei deutsche Turnerinnen um die Medaillen mitturnen und an der Weltspitze kratzen. Es war letztlich die Chemnitzerin Sophie Scheder, die aufgrund weniger Zehntelpunkte Vorsprung auf dem Bronzerang landete, kurz vor ihrer Teamkollegin und Freundin Elisabeth Seitz. Die erste deutsche Medaille im Kunstturnen seit 28 Jahren, Hochspannung pur.
Natürlich will ich mich hier nicht als großer Fan des Kunstturnens hervortun. Vielmehr geht es mir darum, zu unterstreichen, wie sehr viel spannender und aufregender die Olympischen Sommerspiele in Rio sind, im Vergleich zu den Testspielturnieren in den U.S.A., dramatisch „Champions Cup“ genannt, oder den immergleichen, niemals endenden Transferspekulationen quer durch alle europäischen Profiligen. Das von mir längst als ermüdendes Saisonvorbereitungsspektakel wahrgenommene Konglomerat aus spektakulären Testspielsiegen (Liverpool schlägt Barca 4:0, ich kann kaum atmen vor Begeisterung!), Wechselspekulationen und ausufernden Trainingslager-China-Reisen-Berichterstattungen muss ich mir im Sommer 2016 glücklicherweise nicht in seiner ganzen epischen Breite antun. Grund sind die Olympischen Spiele in Rio.
Neben den relevanten, wichtigen und aufreibenden Diskussionen über die Doping-Problematik, die Korruption im IOC und eine offensichtlich überforderte Gastgebernation haben sich in der ersten Olympia-Woche aus deutscher Sicht mitunter dramatische, enttäuschende aber auch begeisternde sportliche Wettkämpfe zugetragen, die mich nächtelang an den Fernseher fesselten. Herauszuheben ist da zum Beispiel das Tennis-Finale mit Angelique Kerber, die nach großem Kampf der jungen Monica Puig aus Puerto Rico unterlag und Silber gewann, zum ersten Mal seit Steffi Graf anno 1988.
Allein die vergangene Nacht hielt so viele dramatische sportliche Höhepunkte bereit, dass es schwierig war, zu folgen. Während die Beachvolleyballerinnen ins Halbfinale einzogen und die Tischtennis-Damen nach einer Marathon-Schlacht gegen Japan das Finale erreichten, gelang den Tischtennis-Herren ein starker Sieg gegen Österreich und der Einzug ins Halbfinale. Den letzten, kaum zu übertreffenden Höhepunkte landeten die Hockey-Herren, die eine Minute vor Schluss noch 1:2 hinten lagen und dann mit zwei Treffern innerhalb von 40 Sekunden den Viertelfinal-Sieg über Neuseeland perfekt machten. Der Traum vom Gold-Hattrick nach den Olympia-Siegen von Peking 2008 und London 2012 lebt also weiter.
Vor allem aus fußballerischer Sicht aber sind die Olympischen Spiele eine wahre Wonne. Bereits im Vorfeld des Turniers hatten wir unsere Vorfreude über das hochkarätige und unberechenbare Turnier kund getan, und wir hatten nicht zu viel erwartet. Während sich die deutschen Frauen unerwartet schwer taten und die Vorrunde nur mit Mühe überstehen konnten, zeigten die Herren in den Spielen gegen Titelverteidiger Mexiko (2:2), Süd-Korea (3:3) und Fidschi (10:0) aufregenden Fußball, der sie letztlich ins Viertelfinale bugsierte. Außenseiter wie Honduras bei den Herren oder Australien bei den Damen zeigten überraschenden, mitunter begeisternden Angriffsfußball.
Im Viertelfinalduell der DFB-Damen gegen China brachte ein herrlicher Fernschuss die 1:0-Entscheidung zugunsten der Deutschen, der sie ins olympische Halbfinale gegen das Team aus Kanada beförderte. Die von Horst Hrubesch trainierten Herren konnten sich in ihrem Viertelfinale gegen die starken Portugiesen für das 0:5 im Halbfinale bei der letzten U21-Europameisterschaft revanchieren (4:0) und fordern im Halbfinale nun die starken Nigerianer.
Die Halbfinalpaarungen, die sich nun ergeben haben, könnten damit ganz besondere Konstellationen ergeben: Vorausgesetzt die deutschen Damen als auch die Herren gewinnen ihre Halbfinals, ist in beiden Fällen ein Endspiel gegen Gastgeber Brasilien möglich. Denn die von ihren jeweiligen Superstars Marta und Neymar angeführten Mannschaften konnten sich im Viertelfinale ebenfalls durchsetzen. Die brasilianischen Damen siegten im Elfmeterschießen gegen Australien, die Herren gewannen in einem hitzigen und zum Teil grenzwertigen Duell 2:0 gegen Kolumbien. Die von Neymar angeführte Selecao trifft im Halbfinale auf Außenseiter Honduras, während die brasilianischen Damen auf Schweden treffen, die die hoch favorisierten U.S.-Girls im Elfmeterschießen schlagen konnten.
Es ist also tatsächlich ein doppeltes brasilianisch-deutsches Finalduell möglich. Im Herrenbereich wäre es für die Brasilianer zudem die spektakuläre Möglichkeit, sich für das 1:7 im Halbfinale der Fußball-WM 2014 zu revanchieren. Im olympischen Fußballfinale. Im Maracana. Mehr Dramatik geht eigetlich nicht.
Es wird mir in den kommenden Tagen also weiterhin nicht so schwer fallen, zwischen Bundesliga-Saisonvorbereitung und Olympia zu wählen. Anstoß des Herren-Halbfinals Deutschland gegen Nigeria ist übrigens Mittwoch, 21 Uhr Die Damen spielen bereits einen Tag vorhr gegen Kanada, ebenfalls um 21 Uhr.
Die Anstoßzeiten der DFB-Pokalspiele, die am Wochenende anstehen, muss ich allerdings noch recherchieren, die hab ich grad nicht im Kopf…
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