Armando Sadiku vom FC Vaduz hat sich gestern abend in die Geschichtsbücher Albaniens eingetragen. Mit dem ersten Tor Albaniens bei einer Europameisterschafts-Endrunde, welches einherging mit dem ersten Erfolg bei einem großen Turnier hat er sogar die Tür zum Achtelfinale einen Spalt aufgestoßen. Ob Albanien sensationell in die nächste Runde einzieht, hängt nun von der Schwäche der anderen Teams ab, die durch den neuen Turnier-Modus durch die Europameisterschaft getragen werden. Eine schleppende Veranstaltung mit kleineren Höhepunkten nimmt seinen Lauf.
Die EURO 2016 in Frankreich begeht heute ihren 11. Turniertag. Man könnte meinen, das Fußballfest ist in vollem Gange, aber es beschleicht einen doch recht schnell das Gefühl, dass der gesamte bisherige Verlauf lediglich ein Vorgeplänkel darstellt für die wirklich entscheidenden Wochen, die am nächsten Wochenende eingeläutet werden. Zwei ganze Turnierwochen werden durch den derzeitigen Modus benötigt, um aus 24 Mannschaften acht Mannschaften auszusieben, damit dann die 16 „Besten“ in den K.O.-Modus starten können. Zwei Wochen, die gespielt, trainiert und organisiert werden müssen – der effektive Nutzen steht dazu jedoch in keinem guten Verhältnis.
Der Modus sollte den „kleinen“ Fußballnationen zu einer Teilnahme an einem großen Turnier verhelfen. Diese Zielsetzung Michel Platinis wurde erreicht, leider auf Kosten des Wettbewerbs – denn die emotionsvolle Teilnahme der Außenseiter ist derzeit die einzige substanzielle Komponente, die die Fußball-Leidenschaft durch das Turnier trägt. Wer gestern abend zwischen dem Spiel Frankreich gegen die Schweiz und Rumänien gegen Albanien hin und her schaltete, bekam eindrucksvoll vorgeführt, welche Bedeutung dieser Vorrunde jeweilig zugemessen wird – von den Fans und den Spielern. Während die Franzosen und die Schweizer sich spätestens nach der albanischen Führung im Parallelspiel auf ein dröges Remis einigten, ging zwischen den beiden Underdogs Süd-Ost-Europas die Post ab – insbesondere auf den Tribünen.
Albanien, Rumänien, Island, Ungarn, Nord-Irland, Irland, Wales. Es ist durchaus vorteilhaft, diese Nationen dabei zu haben, da sie dem Turnier insbesondere über ihre Anhänger die erste Würze geben. Die Teilnahme an der Endrunde wurde diesen Mannschaften gleichsam nicht geschenkt, sondern ist Ergebnis einer jeweilig starken Qualifikationsrunde. Nord-Irland sicherte sich das EM-Ticket als Gruppensieger, einige andere der genannten qualifizierten sich ebenfalls direkt als Gruppenzweite. Der Eindruck, dass sie lediglich aufgrund einer Entscheidung am grünen Tisch dabei wären, wird folglich der sportlichen Entwicklung dieser Teams eigentlich nicht gerecht. Die oft als „klein“ titulierten feiern die Chance an so einer Endrunde teilzunehmen als Generationenereignis.
Für die etablierten Nationen wirkt die Gruppenphase gleichsam wie eine lästige verlängerte Qualifikationsrunde, bei der es lediglich darum geht nicht zu verlieren und möglichst wenige gelbe Karte einzufahren. Der Fokus liegt bei den Favoriten daher wohl eher auch darauf sich für die entscheidenden Spiele einzuspielen. Niederlagen in der Vorrunde stellen dabei kein sonderliches Risiko dar – vier Punkte reichen fast sicher für den Sprung in die nächste Runde. Direktes Resultat dessen sind recht dürftige Auftritte, die auch bei den Fans nicht die ultimative Leidenschaft hervorrufen.
Das aufgeblähte Teilnehmerfeld hat zwar Vorteile für den Fußball Europas, jedoch ist der Modus die reinste Schlaftablette. Aus den sechs Vierer-Gruppen erreichen die Gruppenersten, Gruppenzweiten und die vier besten Gruppendritten das Achtelfinale. Neben dem geringen Wettbewerbswert der ersten zwei Wochen des Turniers verlieren Fans und Spieler den Überblick über das Teilnehmerfeld. Der Charme von großen Turnieren besteht in den klaren Entscheidungen, diese fallen angesichts des Vergleichs der Gruppendritten jedoch weg. Auch nicht von Vorteil ist der Eindruck, dass für eine Mannschaft drei Punkte und ein Tor aus drei Spielen genügen könnten, um ins Achtelfinale einzuziehen. Für die meisten Fans und Zuschauer ist darüber hinaus kaum nachvollziehbar, welcher Gruppenerste nun auf welchen Gruppendritten trifft, oder warum nun doch ein Gruppenzweiter als nächster Gegner vorgesehen ist. Der Spaß auf den Positionskampf der Parallelgruppe zu blicken ist dadruch eingeschränkt. Die entstandene Konfusion über die Struktur des Turnierverlaufs wird erst kommendes Wochenende mit dem wahrhaften Endrunden-Charakter aufgelöst.
Die Teilnahme von 24 Mannschaften hätte gleichwohl einen Modus begünstigt, der ungemein spannend wäre. Mit acht Gruppen bestehend aus drei Mannschaften, wäre von Beginn an ein intensiver Wettbewerb erreicht worden. Insbesondere wenn sich lediglich der Gruppenerste für die nächste Runde qualifiziert hätte. Die Gruppenphase als intensiver Kampf um das Viertelfinale – eine elektrisierende Spannung in fast jeder Minute wäre garantiert. Meiner Meinung nach noch besser wäre es die Endrunde auf acht Teams zu reduzieren und damit die Qualifikationsrunden wieder aufzuwerten. So könnte eventuell auch etwas gegen die gehobene Langeweile in Bezug auf die Nationalmannschaft in den Jahren zwischen den Turnieren erreicht werden. Dies stelle ich einfach mal hiermit zur Diskussion.
Für Albanien hat das sehnsüchtige Warten nun erst so richtig begonnen. Bangen Blickes werden nun die kommenden Spiele verfolgt, um eventuell das Hintertürchen ins Achtelfinale noch nehmen zu können. Es wird eine Entscheidung, die für die Mannschaft vor dem Fernseher fallen wird – ein weiterer Aspekt, der einem großen Turnier eigentlich nicht gerecht wird. Für alle anderen hat das sehnsüchtige Warten auf das Achtelfinale nun bald ein Ende.
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