Die Brüder Boateng – Drei deutsche Leben zwischen Wedding und Weltfußball
FAZ-Redakteur und Sport-Korrespondent Michael Horeni beleuchtet in seiner Dreifach-Biografie das Leben der drei Boateng-Brüder, die allesamt in Berlin geboren wurden und von denen es zwei in die Weltspitze des Fußballsports geschafft haben.
Eine Rezension von Björn Leffler
Dass er das Buch womöglich doch zwei Jahre zu früh veröffentlicht hatte, dämmerte Autor Michael Horeni wohl spätestens, als die deutsche Nationalmannschaft am 13. Juli 2014 mit einem furiosen Jérôme Boateng in der Innenverteidigung Lionel Messis Argentinien nierdergerungen hatte und am Ende eines dramatischen Abends den goldenen WM-Pokal in den Nachthimmel von Rio recken durfte.
Jérôme Boateng war schließlich einer von drei Charakteren, denen Horeni das Buch „Die Brüder Boateng – Drei deutsche Leben zwischen Wedding und Weltfußball“ gewidmet und für das er mehrere Jahre recherchiert hatte. Erschienen war sein Werk bereits im April 2012, und so schoben er und der Verlag Bastei Lübbe im Dezember 2014 eine überarbeitete Fassung nach, die sich vor allem durch ein zusätzliches Vorwort von Horeni selbst und einige ergänzte Kapitel auszeichnet, die vor allem den Triumph in Rio, Jérômes Erfolge mit dem FC Bayern und Kevin-Prince Boatengs Rede vor den Vereinten Nationen ergänzen.
Obwohl Horeni vor allem das Kapitel über die Fußball-WM recht lieblos dem eigentlichen Buch vorangesetzt hat, wird im Verlauf des Buches deutlich, dass sich die Geschichte der drei Brüder ohne die großen Erfolge Jérômes in den letzten Jahren nur schwer erzählen und beurteilen lässt – wie das im Sport nunmal so ist.
Der Autor geht in diesem biografischen Werk weit zurück und beginnt mit der Geburt des Vaters, Prince Boateng, und dessen Weg nach Deutschland. Nicht zu ausführlich, aber auch nicht zu verknappt, erzählt Horeni die Geschichte seiner schwierigen Ankunft in Deutschland nach, genauso wie die schwierige Geschichte seiner gescheiterten Beziehungen und Ehen, aus denen die Söhne George, Kevin-Prince und Jérôme sowie dessen Schwester Avelina hervorgegangen sind.
Im Gespräch mit vielen Zeitzeugen von damals – Grundschullehrern, Vereinstrainern, aber selbstverständlich allen beteiligten Protagonisten – wird die menschliche und sportliche Entwicklung der drei Brüder nachvollziehbar hergeleitet. Horeni wirkt hierbei mitunter leider ein wenig oberlehrerhaft, wenn er kühl über die Bildungsmöglichkeiten der jungen Brüder oder die Familienverhältnisse der jeweiligen Familien berichtet. Auch seine Beschreibung des Berliner Stadtteils Wedding, Heimat von George und Kevin-Prince, ist doch sehr stereotyp und zuweilen wirken die teils reißerischen Formulierungen sogar ein wenig boulevardesk.
Dennoch gelingt es ihm, die Unterschiedlichkeit der drei Leben, die die Brüder einerseits im Wedding und andererseits in Berlin-Wilmersdorf (hier wuchs Jérôme auf) führten, herauszuarbeiten. Sehr spannend und letztlich prägend für den weiteren Verlauf dieser drei Biografien ist der Umstand, dass die drei Brüder erst sehr spät zueinander fanden, sich dann aber – vor allem im Falle von Kevin-Prince und Jérôme – ein enormer gegenseitiger, brüderlicher Wettstreit entwickelte, der sie in Sachen Fußball sehr schnell sehr weit bringen sollte.
Dass in allen drei Brüdern gas große Fußballtalent schlummerte, wird in den Gesprächen über die damalige Zeit mehr als deutlich. Aber mehr noch als Kevin-Prince während seiner ersten Jahre im Profifußball fiel es dem ältesten der drei Brüder, George, besonders schwer, sein Temperament zu zügeln – auf und neben dem Platz. Während seine jüngeren Brüder sich voll und ganz auf den Fußball konzentrierten, geriet er irgendwann auf die schiefe Bahn, landete in einer achtmonatigen Untersuchungshaft und musste irgendwann völlig neu anfangen, ganz unten.
Das beklemmende an der Geschichte der drei Brüder ist aber, dass sie sich Zeit ihres Lebens gegen rassistische Anfeindungen zur Wehr setzen mussten, und das von Kindesbeinen an. Die Beleidigungen, Vorbehalte und Verunglimpfungen, die ihnen bis heute entgegengebracht werden, machen einen beim Lesen immer wieder sprachlos. Es ist eine Art Leitmotiv, das sich durch das gesamte Buch hindurch zieht und ihnen selbst, als sie längst bewiesen haben, dass sie zu den ganz großen ihres Sports gehören, immer wieder in die Quere kommen soll. Die besonders in Ost-Berlin und bei Spielen in den Neuen Bundesländern geäußerten rassistischen Äußerungen, die die Jungs bereits in ihren Jugendtagen erfahren, haben leider eine hochaktuelle Relevanz. Jeder der drei Brüder ging auf seine eigene Art und Weise damit um, einer von ihnen brachte es damit sogar bis zu den Vereinten Nationen.
Für Fans von Hertha BSC ist es natürlich besonders spannend, zu lesen, wie die beiden Brüder damals in die Jugendauswahlmannschaften des Hauptstadtclubs gelangten, und wie es letztlich dazu kam, dass beide Boatengs nach nur relativ kurzer Zeit in Herthas Profikader den Verein in Richtung Tottenham (Kevin-Prince) und Hamburger SV (Jérôme) verließen.
Michael Horeni ist mit seinem Buch ein kurzweiliges, hochinteressantes Werk gelungen, das an der ein oder anderen Stelle noch etwas mehr Fingerspitzengefühl benötigt hätte. Nichtsdestotrotz gehört „Die Brüder Boateng“ zu den besten Sportbiografien, die ich bisher gelesen habe. Wir vergeben daher sehr gute vier von fünf Sternen!
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