Achtung: Der nun folgende Beitrag kann Spuren von subjektiviertem Wissen enthalten!
von: Axel Diehlmann
Seit Mittwoch Abend 21:51 Uhr ist die Leidenschaft komplett entbrannt. Die Niederlage der Bayern gegen Mainz hat der Republik einen Schub versetzt, wie ihn sich der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog wohl ersehnt hat, als er von einem notwendigen Ruck sprach, der durch Deutschland gehen müsse. Okay, mit der Einschränkung, dass dies wohl nur auf den fußballaffinen Teil zutrifft, aber da der Leser dieses Artikels wohl dazugehört, sagen wir einfach durch die ganze Republik, durch alle und jeden. Niemand kann sich der zunehmenden Spannung entziehen! Niemand! … Ich versuche mich zusammenzureißen und nun den Artikel seriös weiterzuschreiben. Bin gespannt, ob es mir gelingen wird.
Seit 22 Jahren BVB-Fan habe ich so einige Sachen miterlebt. Zuvorderst 1994/95 die Meisterschaft im ersten Jahr meines Fan-Daseins, weswegen mein fußballerischer Gründungsmythos wohl im Bereich Erfolgsfan anzusiedeln ist. Stets bemühte ich mich daher darauf zu verweisen, dass meine ersten Idole Matthias Sammer und Andreas Möller nun damals beim BVB spielten und es weniger mit dem Erfolg der Borussen als mit der Wahrnehmung spielerischer Klasse zu tun gehabt hätte, dass ich Fan der Dortmunder wurde. Nun ja, ich war damals 10 Jahre alt – ein schnell beeinflussbares Kind. Ich glaube kaum, dass diese These ernsthaft aufrecht zu halten ist. Jedenfalls folgte 1996 gleich die nächste Meisterschaft und 1997 dann der Höhepunkt des Triumphs in der Champions-League. Kalle Riedle und Lars Ricken netzten im Münchner Olympiastadion in den Kasten von Peruzzi ein, während die Dortmunder und die Turiner endlich mal für Stimmung im weiten Rund sorgten. Schon damals fiel mir die leidenschaftsarme Münchener Mentalität auf, die gepaart mit der hemmungslosen Arroganz in mir nur Abneigung erzeugen konnte. Im selben Jahr erhielt ich zur Jugendweihe das Tagebuch von Lothar Matthäus geschenkt, welches mir schon im jugendlichen Alter an Niveau zu arm war. Der Hass auf die Bayern sollte durch diese unnützen Stunden des Lesens lotharscher Gedanken aber erst recht gefestigt werden. Und dies sollte in den kommenden Jahrzehnten noch gesteigert werden. Denn es folgten 20 Jahre der erbitterten Konkurrenz, auch wenn diese sportlich teilweise als BVB-Fan eher zu Leiden als zu Leidenschaft taugte. Ein eigenst ausgerufener Kulturkampf, der natürlich medial unterfüttert wurde, führte mich nahezu an den Rande des Wahnsinns. Saison für Saison gibt es für mich eigentlich nur ein Ziel – die Bayern hinter sich zu lassen. Über die Gelsenkirchener lohnt es sich dabei vergleichsweise nicht mal nachzudenken.
Einer dieser besonderen Momente der Konkurrenz geschah in der Saison 2000/01. Tomas Rosicky trat zum Freistoß gegen die bayerische Mauer und Oli Kahn auf der Linie an. In höchst feingeistiger Manier streichelte er den perfekten Freistoß aus dem Fußgelenk. Oli Kahn schaute lediglich verdutzt dem Ball hinterher, der kurz davor war im Netz zu zappeln. Doch es kam anders der Ball tropfte vom Innenpfosten auf die Torlinie und von dort in die Hände von Kahn. Dieser konnte sein Glück kaum fassen und reckte knieend die rechte Faust in die Luft und jubelte. Es hätte ein großer Sport-Moment sein können, doch er wurde für mich durch den Titan zerredet:
„Es gibt eben Dinge im Leben und Zeiten, in denen der Ball nicht reingeht, weil der Gegner es eben nicht verdient hat, das Spiel zu gewinnen.“
Ausgerechnet Oli Kahn, der im Westfalenstadion oftmals wie ein Berserker auftrat, streute auch noch Salz in die Wunde. Auch mein Verhältnis zu Oli Kahn war ab diesem Moment im diplomatischen Sinne als abgekühlt einzuordnen. Das Gipfeltreffen am 28. Spieltag in Dortmund endete nach einem atemberaubenden Schlagabtausch 1:1. Die Bayern wurden letztendlich Meister. Nach dem Spiel polterte Hoeness über die angebliche Inkompetenz eines Schiedsrichters, der aus dem Verkehr gezogen werden müsse sowie über die zirkusreife Spielweise von Otto Addo. So fand Uli wohl in der Verpflichtung von Arjen Robben seine späte Genugtuung.
Die Dortmunder ließen sich damals vom bayerischen Größenwahn provozieren. Es folgte der Gang an die Börse und die Öffnung des Portemonnaies für eine verrückte Transferpolitik. Die Meisterschaft von 2002 war eine unangebrachte Machtdemonstration des BVB. Und es rächte sich in eklatantem Maße, so über die Verhältnisse gelebt zu haben. Die Aktie crashte und die ausgehandelten Verträge führten den BVB an den Rande des Ruins. Das bayerische Mini-Darlehen zum Erhalt der Erstklassigkeit der Dortmunder fühlt sich im Nachhinein immer noch an, wie der Pakt mit Mephisto. Mir ist diese Meisterschaft von 2002 immer noch unangenehm und im Umkehrschluss frage ich mich, ob die Bayern überhaupt dazu in der Lage sind, in ähnlicher Weise ihre eigenen Leistungen zu reflektieren.
Gegenargumente wurden immerhin genug geliefert. Die kriminellen Machenschaften in der gesamten Führungsetage des Vereinshauses ander Säbener Straße möchte ich an dieser Stelle mal außer Acht lassen, wobei es bedenklich wirkt, wie die Rückkehr von Hoeness ins Stadion gefeiert wurde, als ob der böse Rechtsstaat das Unschuldslamm Uli Hoeness maltretiert hätte. Vielleicht ja auch eine ur-bayerische Logik, die wir hier in Berlin wohl nicht verstehen können.
In sportlicher Hinsicht waren es kontinuierlich die respektlosen Giftpfeile aus München, die mich zur Weißglut trieben. Seien es ein Stefan Effenberg oder ein Oli Kahn mit ihrer überbordenden Arroganz oder seien es Philipp Lahm oder ein Bastian Schweinsteiger, die nach der glorreichen Pokalfinalniederlage (2:5) im Mai 2012 gegen die Dortmunder davon faselten, dass sie ja eigentlich das bessere Team gewesen wären. Die Wechseltheater um Götze und Lewandowski taten ihr übriges. Ein Glück, dass sich Marco Reus damals für den BVB entschied, übrigens trotz der bayerischen Meinung, dass ein Spieler, der von den Bayern gewollt wird auch zu den Bayern geht. Mehr Selbstverblendung geht angesichts der Respektlosigkeit gegenüber individueller Persönlichkeit wohl nicht.
Nicht zuletzt gibt es da noch die in meinen Augen eklatanten Ungerechtigkeiten auf dem Platz, die durch Fehleinschätzungen der Schiedsrichter hervorgerufen wurden. Auch wenn diese zu akzeptieren sind, taten sie insbesondere aufgrund der nachträglichen Selbstbestätigung der Bayern besonders weh. Dabei denke ich unter anderem an die letzten zwei Finals zwischen den beiden Teams. Im CL-Finale in Wembley wurde Riberys Tätlichkeit gegen Robert Lewandowski nicht geahndet. Darüber hinaus hätte Dantes für sein Foul gegen Reus genauso gut die gelb-rote Karte sehen können. Beides ist ausgeblieben. Arjen Robben erzielte kurz vor Schluss die Entscheidung für die Bayern, die im Nachhinein über die Zurechtrückung der Verhältnisse sprachen. Es konnte kaum schlimmer werden. Doch nur ein Jahr später im DFB-Pokalfinale erzielte Mats Hummels ein reguläres Tor zum 1:0 Mitte der zweiten Halbzeit. Dante schlug den Ball aus dem Tor, jeder im Stadion konnte sehen, dass dieser Ball drin war. Lediglich der Schiedsrichter war sich dessen nicht bewusst. Letztendlich entschieden die Bayern auch dieses Finale für sich. Insbesondere dieser Moment versetzte mir im Sommer 2014 einen fußballerischen Tiefschlag. Selbst die WM konnte mich nicht aufbauen – sie war für mich gelaufen. Zu groß war mein Zorn auf die bayerischen Spieler in Nationaltrikots. Nicht zuletzt deshalb war ich im Finale für Argentinien. Judge me – ich konnte nicht anders…
Das Elfmeterdebakel der Bayern im letztjährigen Halbfinale des DFB-Pokals war eine späte Genugtuung, insbesondere die Parade von Mitch Langerak gegen Mario Götze ließ meinen Körper und Geist erbeben. Ich war von Sinnen, hervorgerufen durch unheimliche Leidenschaft für diesen Verein und insbesondere in Konkurrenz zu den Bauern. Ich frage mich, wie es mir morgen ergehen wird… Vorfreude mischt sich mit Sorge. Vor allem vor ungerechtfertigten Spielverläufen und Entscheidungen. Noch schlimmer wäre aber das schelmische Grinsen von Rafinha…
Fazit: Den Artikel seriös zu schreiben, ist mir nicht gelungen. Diese Partie wühlt mich auf…
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