von Björn Leffler
Seinen Verein sucht man sich nicht aus. Der stößt einem zu, wie die Liebe zu einer Frau. Anders, als das mit den Frauen jedoch so ist, bleibt man seinem Verein ein Leben lang treu. Ein Umstand, der sicherlich ein gewisses Diskussionspotenzial hat.
Darum soll es hier aber nicht gehen. Diese kleine Serie beschäftigt sich mit den kürzlich in einer alten Kellerkiste gefundenen Zeugnissen dieser treuen Liebe, die nun schon bereits über zwanzig Jahre andauert.
Dass meine fußballerische Liebe die „Alte Dame“ Hertha ist, zeigt schon, dass ich vor wenigen Dingen im Leben zurückschrecke. Das kann aber auch durchaus positive Auswirkungen haben. Gegen das, was ich mit diesem Verein schon durch habe, ist das reale Leben geradezu langweilig.
Eine kurze, melancholische Rückschau meiner ganz persönlichen „Live dabei“-Spiele:
Borussia Mönchengladbach – Hertha BSC 0:0 (2011/12)
1. Bundesliga
600 Kilometer mit dem Bus für ein 0:0 im ausverkauften Borussia Park. Hertha schon tief im Abstiegskampf, jeder Punkt zählte. Eigentlich aber hätten wir drei gebraucht, nach dem Spiel schwante uns schon nichts Gutes, würde der Punkt was bringen? Nach vier Stunden Rückfahrt fiel zudem auf der Hälfte der Strecke noch auf, dass wir einen Herthaner am Stadion in Mönchengladbach am Stadion vergessen hatten. Zum Umkehren war es zu spät, Pech gehabt. Das hatte auch Hertha – am Ende der Saison stand der skandalöse Abstieg im Relegationschaos von Düsseldorf.
Dynamo Dresden – Hertha BSC 1:0 (2012/13)
2. Bundesliga
Wenn sich’s mal anbietet, sollte man Dresden mal mitnehmen, dachten wir uns. Wir waren auf Wiederaufstiegskurs und lange ungeschlagen, die Laune daher gut. In Dresden aber nicht so, kurz nach dem Aussteigen aus dem Auto brüllte uns direkt ein sächsischer Anhänger subtil ins Gesicht: „Ihr könnt euch verpissen, ihr Fotzne!“ Nun gut, wir hatten es erwartet. Im Stadion dann wirklich Gänsehautstimmung und leider auch eine verdiente Niederlage. Wir waren ob der aufgeladenen, aggressiven Stimmung sogar ganz froh darüber, wir waren ja privat und ohne Polizeischutz da. Stimmung toll, aber sympathisch geht leider anders. Aber jut, Fußball ist halt keine Kuschelmeisterschaft.
FC St. Pauli – Hertha BSC 2:3 (2012/13)
2. Bundesliga
Gleiche Saison, der Aufstieg war schon perfekt, selten entspannt saßen wir auf der – überwiegend von Pauli-Fans bevölkerten – Tribüne. Das Spiel: geil. Wir führten 1:0, dann drehte Pauli kurz vor Schluss das Spiel und führte 2:1, hämisch wurden uns braunweiße Schals ins Gesicht gewedelt. Dann aber der unvermeidliche Ronny, der aus 20 Metern das 2:2 in den Winkel nagelte, Minute 89. Manchmal ist es einfach nur schön, als einziger auf der Tribüne aufzuspringen und in die Stille hinein zu schreien. Damit nicht genug, eine Minute später gelang uns sogar noch das 3:2. Pauli, noch tief im Abstiegskampf, bibberte weiter, und wir genossen eine Wurstsuppe im Hafen.
Borussia Dortmund – Hertha BSC 1:2 (2011/12)
1. Bundesliga
Ein göttliches Spiel. Vor der Partie wurde nur darüber diskutiert, ob Hertha mit vier, fünf oder sechs Toren nach Hause geschickt werden würde. Die Blauweißen aber erwischten einen Sahnetag und überraschten den späteren Meister eiskalt und entführten drei Punkte. Wir tobten im blauweißen Block und wussten gar nicht wohin mit unserem Überschwang, völlig atemlos gönnten wir uns nach dem Spiel erstmal zwei „Krefelder“ (im Berliner Raum auch als „Radler“ bekannt). Die Rückfahrt im ICE geriet dann aber zur völligen Tour de Farce, als eine Horde faschistischer Hertha-„Fans“ einen kompletten Waggon verwüstete. Wie zur Bestrafung stand am Ende der Saison denn auch leider der Abstieg in Liga 2.
Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach 0:2 n.V.
DFB-Pokal
Eine verfluchte Saison. Einer unserer seltenen Vorstöße unter die letzten Acht im DFB-Pokal gegen die hoch favorisierten Gladbacher. Das Spiel allerdings war völlig ausgeglichen, Niemeyer hatte 25 Minuten vor Schluss das 1:0 auf dem Fuß, traf aber nur den Pfosten. In der Verlängerung spielte Igor de Camargo dann auf skandalöse Weise den sterbenden Schwan, was ich aus 100 Meter Entfernung im Stadion ohne Zeitlupe gesehen hatte. Aber gut, es half nichts. Elfmeter für Mönchengladbach, rote Karte für Hubnik, und kurz vor Schluss ein Kontertor zum 0:2. Natürlich hat sich niemand außerhalb Berlins großartig darüber aufgeregt. Wäre das Borussia Dortmund oder Bayern München passiert, hätte eine Woche der Blätterwald gebrannt. Aber so ist das als Fan eines mittelmäßigen Vereins – Kollateralschäden gibt’s überall.
Energie Cottbus – Hertha BSC 1:2 (2012/13)
2. Bundesliga
Auswärtsfahrt am Montagabend in die Lausitz, ist ja fast um die Ecke sozusagen. Es war Winter, aber das schreckte uns nicht ab. Hertha hielt sich gut, ging 1:0 in Führung und alles sah nach einem souveränen Auswärtssieg aus. Aber „souverän“ und „Hertha“ passt nur selten zusammen, durch einen krummen Kopfball gelang den Cottbussern der Ausgleich, Mitte der zweiten Hälfte. Wer rettete uns? Ronny natürlich, wie immer in dieser Zeit. Ein überraschender Drehschuss von der Strafraumkante ins kurze Eck bescherte uns drei wichtige Punkte auf dem Weg zum Wiederaufstieg. Zurück in Berlin gab’s um ein Uhr morgens noch eine nicht mehr ganz so frische Pizza am Ostkreuz und ein kleines Siegerbierchen.
Zum zweiten Teil geht es hier.
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