Der Mythos des Straßenfußballers fasziniert uns. Wir denken automatisch an rivalisierende Jugendliche, die in Belfast die Probleme in den Cottages der Neuzeit sportlich austragen. Wir denken an die Atmosphäre der unzähligen Käfige in den Großstädten, in denen sich die Leitwölfe der Kieze präsentieren und ihre eventuell niedrigere fußballerische Qualität durch das Imitieren von Christiano Ronaldo ausgleichen und wir denken an den kleinen Dribbler, der – unscheinbar im Alltag – den athletischeren Altersgenossen auf Beton und Tartan einen Knoten in die Beine zaubert. Die Straße als Ort der fußballerischen Ausbildung. Auch der Stadtraum und die städtische Gemeinschaft spielt eine Rolle: Dies wird deutlich anhand einer Verknüpfung der Herkunftsorte und der Spielpositionen der aktuellen Bundesligaspieler. Die Verknüpfung dieser Woche: Kölner Karneval als Ausgangspunkt großer Torhüterkarrieren. (Bodo Illgner kommt übrigens entgegen der Erwartung nicht aus Köln, sondern aus Koblenz)
Das Karnevalsritual des Kamelle-Schmeißens hat seine Vorteile. Man bekommt ungebetenen Besuch von Bonbons in seiner Kapuze, Grüppchen können sich auf die Knie schmeißen und das heitere „meins!-ich-habs-zuerst-gesehen-spielchen“ spielen und vor allem kann jeder generationenübergreifend und geschlechtsneutral seine Fähigkeiten im Fangen begehrter Kleinigkeiten erproben und ausbauen. Vor dem Hintergrund dessen scheint es nicht verwunderlich, dass Köln eine der zwei Städte Deutschlands ist, die die meisten aktuellen Bundesliga-Torhüter hervorgebracht hat. Timo Horn, Thomas Kessler und Ron-Robert Zieler – vereint in der gemeinsamen Herkunft. Timo, Thomas und Ron scheinen darüber hinaus ausgehend von der These gute Kamelle-Fänger zu sein, eine starke soziale Ader zu besitzen und diese durch das Verschenken der ergatterten Petitfour auszuleben. Hätten sie all die Süßigkeiten sich einverleibt, wären sie höchstwahrscheinlich keine Sportler. Jene soziale Ader führte sie neben ihren Fängerfertigkeiten direkt ins Tor auf dem Schulhof nur um Streit und Klassenkeile zu vermeiden und nun sind sie Bundesligatorhüter.
Auch bezüglich des Themas Strafraumbeherrschung lassen sich Parallelen erkennen. Die Schwierigkeit besteht sowohl während des Festumzugs als auch während einer alltäglichen Spielsituation das begehrte Gut im Getümmel in seiner Flugbahn zu berechnen und sich zu greifen – ohne Kompromisse. Auch die Positionierung von Freunden macht Sinn, um zumindest das begehrte Gut in vertrauten Händen zu wissen. Bonbon gesichert, am besten nicht mehr hergeben, bis der Schiri abpfeift. Der Karneval als Spiegelbild des Bundesligaalltags.
Die Stadt Köln pflegt die Kultur des Karnevals und entwickelt insgeheim und unbemerkt die lokale Fußballkultur. Im Schatten von Karnevalsprinz Lukas Podolski heimsen eifrige Kinder die Kamelle ein und reifen unbemerkt zu großen Torhütern der Zukunft. Welche heile Welt… und jedes Jahr im Februar streifen sich Timmy, Tommy und Ronny ihre alten Cowboy- und Indianer-Kostüme über und nutzen ihren Wettbewerbsvorteil.
Schreibe einen Kommentar