Der SC Wiener Neustadt trägt seine Spiele in der österreichischen Zweitklassigkeit ab sofort und bis zum Saisonende im „Teddybären- und Plüsch-Stadion“ aus. Eine Meldung wie ein Gratisaufenthalt im Bällebad. Heute abend gegen Floridsdorf wird der Stadionname auch sportlich eingeweiht und soll den Wienern nach fünf Niederlagen in Folge zum kuscheligen Aufschwung verhelfen. Wir kommen einfach nicht umhin uns irgendwie daran zu erfreuen…
Als Fußballfan ist man angesichts der überbordenden Kommerzialisierung des Fußballs in den letzten 25 Jahren ja so einiges gewohnt. Es fing vor Urzeiten mal an mit Trikotwerbung, was sogleich mit einem kulturellen Aufschrei quittiert wurde. Nichtsdestotrotz etablierte sich diese Werbeform genauso wie die Bandenwerbung und Verbindung von Verein und Sportler mit entsprechenden Marken. Kaiser Franz war mit seiner Suppenwerbung einer der Wegbereiter der Werbeplattform Fußball. Auch die Vereine selbst erkannten schnell das Potential und entwickelten in den letzten Dekaden ein breites Spektrum an Merchandising-Artikeln: von „simplen“ Kleidungsstücken über den Toaster bis hin zu Baby-Schnullern wurde alles mit dem Emblem versehen, welches für große und vor allem kaufkräftige Gruppen eine ikonographische Bedeutung hat.
Im 21. Jahrhundert haben wir dann eine neue Etappe der Kommerzialisierung des Fußballs erklommen. Die Vermarktung der Namensrechte der Stadien des Profi-Fußballs hat landauf landab zu Identitätskrisen der Anhängerschaft geführt, die teilweise schon gar nicht mehr wussten, in welchem Stadion sie gerade ihrer Mannschaft zujubeln. Insbesondere die Hamburger hatten Probleme sich die ständig wechselnden Stadionnamen zwischen AOL, Imtech etc. irgendwie zu merken. Hinzu kamen dann besonders schöne Benennungen wie „Schau-ins-Land-Reisen-Arena“ oder „Playmobil-Stadion“. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man eigentlich darüber lachen. Festzustellen ist jedenfalls, dass ein Großteil der Vereine auf die entsprechenden Einnahmen angewiesen zu sein glaubt und in manchen Fällen stimmt dies wohl auch. So begab es sich beim SC Wiener Neustadt, dass die klammen Kassen mit dem Verkauf der Namensrechte des Stadions Wiener Neustadt aufpoliert werden sollten. Gleichzeitig sollte nicht nur irgendein Sponsor gefunden werden, sondern darüber hinaus auch noch ein medienwirksames Projekt initialisiert werden. Zu Beginn des Jahres wurde daher dazu aufgerufen für 500 EURO einen Vorschlag einzubringen und durch eine entsprechende Anzahl an Losen die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass der eigene Vorschlag auch umgesetzt wird. Sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen konnten sich an dem Verfahren beteiligen und auf den öffentlichkeitswirksamen Coup hoffen. Nun hat also das deutsche Spielwaren-Unternehmen „Teddybären und Plüsch“ den Hauptgewinn gezogen.
Für die Groundhopper unter uns ist nunmehr ein besonderes Stadion hinzugekommen, auch wenn vielleicht einige schon mal im Stadion Wiener Neustadt zugegen waren. Angesichts des besonders flauschigen Stadionnamens lässt sich hier wohl auch mal eine Ausnahme machen. Immerhin ist mit der Umbenennung auch vermeintlich eine Anpassung der Fankultur zu erwarten, die ihresgleichen sucht. Wenn die Mannschaften das Spielfeld betreten, werden massenweise Plüschtiere auf den Platz geschleudert, so dass Robbie Williams vor Scham erblassen würde angesichts der Kinkerlitzchen, die ihm in den 90ern vor die Füße geworfen wurden. Um der ganzen Inszenierung auch ordentlich Substanz zu verleihen, erhalten Fans im Bärenkostüm natürlich freien Eintritt, wodurch die Karnevalsgeschäfte massenweise Glücksbärchi- und Gummibärenbande-Kostüme nachbestellen müssen. Auch in Sachen gastronomischer Versorgung wird ab sofort alles auf Teddy gestellt. Statt der Stadionwurst gibt es ne halbe Semmel mit Bärchenwurst und sowohl als Snack als auch als Konfetti werden Gummibärchen gereicht. Der schludrige Umgang damit sorgt sogleich für einen Umsatzrekord von Haribo in Österreich. Ein Stadionname als wirtschaftlicher Standortfaktor. Schade, dass die Namensrechte schon nach vier Monaten wieder auslaufen.
Zum Abschluss dieser vier Monaten wollen wir sogleich noch einen Vorschlag unterbreiten: Wie wäre es mit einem ultimativen Wettstreit der Fußballmaskottchen in einer Art Sommer-Olympiade mit abschließendem Fußballspiel. Dann könnte Dino, Krokodil, Teddy, Biene und Co. mal zeigen, was sie so draufhaben und wozu sie überhaupt in ihren sperrigen Kostümen in der Lage sind. Das „Teddybären- und Plüsch-Stadion wäre hierfür bestens geeignet. Ein Wiener Sommernachtstraum.
Übrigens hat der Teddybär in Wien dennoch auch eine stadtkulturelle Bedeutung, so dass das ganze doch gar nicht so weit hergeholt erscheint. Von 1996 bis 2001 befand sich am Judenplatz in Wien das Wiener Teddybärenmuseum. Nachdem es 2001 schließen musste, ist es seitdem nur noch virtuell zu besichtigen. Lediglich im Schaufenster der Galerie an der Rotenturmstraße sind noch einige Exemplare ausgestellt und erinnern an das temporäre Museum und die kulturhistorische Bedeutung dieses Plüschtiers. Man kann daher über den Prozess der kommerzialisierten Namensverlosung denken wie man möchte, aber immerhin ist der Teddybär mittels des neuen Stadionnamens wieder eine Institution im Wiener Stadtleben. Wir wünschen jedenfalls dem SC Wiener Neustadt viel Erfolg im Abstiegskampf und wünschen kuschelige Zeiten.
Axel Diehlmann
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