Julian Draxler möchten den VfL Wolfsburg dringendst verlassen und sich einem Verein mit mehr Austrahlungskraft und besseren sportlichen Perspektiven anschließen. Eigentlich wenig überraschend, hätte nicht eben jener Julian Draxler vor 11 Monaten einen Vertrag bis ins Jahr 2020 unterschrieben. Eine vermeintliche Transferposse, die symbolisch für den modernen Kult der Unverbindlichkeit daherkommt, bei der jeder seine individuellen Interessen je nach Bedarf durchzudrücken vermag.
Was bedeuten Verträge in der heutigen Fußballwelt? Früher noch verbindliche Übereinkünfte zwischen Spieler und Verein, sind sie heute allemahl noch ein Wertpapier zum Erlös von Transferrenditen. Lange Vertragslaufzeiten sind schon längst keine verbindliche Zusage zur Vereinskultur mehr, sondern werden meist ausgehandelt, um möglichst hohe Transfersummen zu erzielen. In den Vertragsverhandlungen wird folglich eher vom späteren Verkauf, als vom langfristigen Verbleib her gedacht. Da scheint es fast schon logisch, dass sich Spieler auf eben jene Management-Kultur stützen, wenn sie sich scheinbar sportlich und finanziell verbessern können. Es ist ein Geschäft der halbgaren Versprechungen und der opportunistischen Winde.
Julian Draxler hat nach einer für ihn persönlich erfolgreichen Europameisterschaft Morgenluft gewittert und sieht sich nun in eine sportliche Sackgasse manövriert. Sein Vertrag läuft noch bis 2020, im nächsten Sommer könnte er für eine festgeschriebene Austiegsklausel in Höhe von 75 Millionen den Verein wechseln. Diese Summen werden jedoch nur durch internationale Topvereine veräußert, eben jene Vereine, mit denen Wolfsburg in der kommenden Saison aufgrund der eher schlecht als recht absolvierten letzten Runde nichts zu tun haben wird. Draxlers einzige Gelegenheit sich anzubieten wäre also die Nationalmannschaft und da sind die Positionen weiterhin stark umkämpft. Es wird sich höchstwahrscheinlich kein Verein (zumindest) in Europa finden, der so für Julian Draxler im kommenden Jahr die Hosen runterlassen möchte, es sei denn er spielt in der bald beginnenden Spielzeit die Bundesliga in Grund und Boden. Aufgrund einer gesunden Selbsteinschätzung fängt Julian Draxler nun an medial zu poltern, um doch bitte vorher aus seinem Vertrag herausgekauft zu werden. Ansonsten drohen ihm wohl mindestens noch anderthalb Jahre Wolfsburg. Irgendwie selbst schuld…
Vor 11 Monaten war der VfL Wolfsburg für Julian Draxler scheinbar noch das ultimative Sprungbrett seiner Karriere. Kevin de Bruyne war gerade für wahnwitzige 75 Millionen Euro nach Manchester transferiert worden und Klaus Allofs sah in ihm einen sportlichen Nachfolger für den Belgier, der gleichzeitig Wolfsburgs Sehnsucht nach Nationalmannschaftsgeltung entsprechen konnte. Draxler war wichtig für den VfL und wurde höchstwahrscheinlich entsprechend gepampert. Hier wurden ihm wahrscheinlich dann auch die Möglichkeiten aufgezeigt später zu einem europäischen Topclub zu wechseln, was bei Julian Draxler, aber wohl vor allem bei Klaus Allofs für feuchte Augen gesorgt haben dürfte. Nur ein Jahr später dürften sie allesamt unzufrieden sein. Draxler hat erfahren müssen, was es bedeutet für einen langweiligen Retortenclub zu spielen und Allofs musste erkennen, dass der kleine Julian noch zu grün hinter den Ohren war, um die Mannschaft seines VfL irgendwie mitreißen zu können. Wolfsburg offenbarte sich spätestens letztes Jahr als eine der trostlosesten Adressen des deutschen Fußballs, die lediglich durch hohe Gehälter und die Teilnahme am Europapokal relative Attraktivität erhält.
Nun ja, der Vertrag wurde aber nun mal so unterzeichnet, auch wenn der liebe Julian heute dies offensichtlich bereut und sich auf mündliche Versprechungen beruft, die – selbst wenn sie gefallen sind – in dem Millionengeschäft Fußball nur eine untergeordnete Rolle spielen. Klingt zwar irgendwie gemein, aber ein gewisses Maß an Verbindlichkeit sollten schriftliche Verträge schon darstellen und nicht durch vermeintliche mündliche Vereinbarungen verwässert werden. Falls es hierzu eine Vereinbarung gab, hätte wohl auch eine entsprechende Klausel in den Vertrag integriert werden können. Es sei denn es bestand das gegenseitige Gefühl des Misstrauens oder der wahrgenommenen Schwächung der Verhandlungsposition, was auch an den üblichen Transfermarktprozessen liegen mag, bei der tendenziell jeder zunächst an sich selbst und seinen persönlichen Erfolg denkt. Die unternehmerische Fußballkultur schlägt sich in Klauseln und Schlupflöchern zu Buche – ein Handschlag und ein Versprechen zählen heutzutage weniger.
Nun könnte man meinen, das Fußballgeschäft ist ebenso Teil des Arbeitsmarktes und kann dementsprechend keinen Arbeitnehmer zum Verbleib zwingen, aber dies würde jedwede Vertragssituation im Fußball ad absurdum führen. Verträge sind Vereinbarungen zwischen mindestens zwei Parteien, um mittelfristige Verlässlichkeit herzustellen. Die Konditionen, die im Vertrag ausgehandelt niedergeschrieben sind, entsprechen dabei den beiderseitigen Interessen und den allgemeinen Rahmenbedingungen. Eine Aufkündigung dieser Vereinbarung muss zwar möglich sein, jedoch muss dabei eine Art Auflösungsvertrag geschlossen werden, die allen Interessen gerecht wird.
Die Macht der Spieler und ihrer Agenten nimmt jedoch in Zeiten, in denen immer mehr Geld im Umlauf ist, kontinuierlich zu. Gleichsam wird die Medienwelt instrumentalisiert, den Kult der Unverbindlichkeit in Form einer andauernden Infragestellung und Spekulation in die weite Welt zu tragen. Verträge und sogenannte „Machtwörter“ sind vor allem durch die Befeuerung der Spekulationsblase nicht mehr von Wert. Die polarisierende Berichterstattung stellt sich dabei als Methode der Transferverhandlungen heraus. Spieler, die in den Medien präsent sind, erhöhen ihren Werbewert und einhergehend ihren Marktwert. Das gesteigerte mediale Interesse am Spieler, seiner Vertragssituation und an der romantischen Auflösung der Geschichte – am besten mit einer neuen Vertragsunterzeichnung – setzt dabei nachhaltig die Vereine unter Handlungsdruck, Lösungen herbeizuführen, die ihnen nur bedingt gefallen können. Spielerberater wie der berühmt berüchtigte Mino Raiola haben daraus ein Prinzip gemacht, weil sie wie Immobilienmakler an jedem Transfer ordentlich mitverdienen.
Der VfL Wolfsburg hat inzwischen ein Machtwort gesprochen und Draxlers Wechselwunsch in der aktuellen Transferperiode abgelehnt. Draxler schweigt inzwischen zwar wieder, aber seine Position wird jetzt ohnehin durch Teile der gängigen Medien getragen, die sich auf eine der zeitgenössischen Grundregeln des Geschäfts berufen: Am Ende entscheidet nur das Geld. Offenbar wird von medialer Seite die Substanz von Verträgen untergraben, um eine gute Geschichte zu haben. Eine optimale Lösung für die aktuelle Situation gibt es wohl nicht. Letztendlich bleiben aller zurück in einem Gefühl der Verzweiflung ob des gegenseoitigen Misstrauens aufgrund der selbst zur Schau getragenen Unverbindlichkeit. Der VfL Wolfsburg sieht sich nun als Spielverderber dargestellt, Julian Draxler als Abtrünniger und die Medien eifern nach einer skandalträchtigen Transferposse mit einer großartigen Vertragsunterzeichnung zum Abschluss. Diese sind in der medialen Inszenierung die letzten verbliebenen Verheißungen.
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