von Björn Leffler
Es ist eigentlich äußerst erstaunlich, dass der Frauenfußball in Deutschland eine derart boomende und zugleich erfolgreiche Sportart ist, bedenkt man die schwierigen Anfänge, die die Sportart insbesondere in den 50er und 60er Jahren zu durchleben hatte. Bis in die späten 60er (!) Jahre hinein, war es westdeutschen Fußballvereinen qua Weisung des DFB grundsätzlich verboten, Frauenfußball überhaupt anzubieten. Die Sportart war in Deutschland schlichtweg verboten, nachdem es Mitte der 50er Jahre – nach dem Wunder von Bern – eine kurze Blütezeit gegeben hatte. In dieser Zeit formten sich erste Frauenmannschaften, und es gab sogar eine Art Frauen-Nationalelf, die sich in inoffiziellen Ländervergleichen mit anderen Frauenteams messen durften.
Der Frauenfußball galt in dieser bleiern schweren, durch und durch patriarchalisch dominierten Zeit höchstens als skurriler Auswuchs feministischer Emanzipationsbewegungen, aber vielmehr sogar noch als aberwitzige Belustigungsveranstaltung für das männliche Geschlecht. Dies zeigt ein Wochenschau-Ausschnitt aus dem Jahr 1955, den Arnd Zeigler in seiner Sendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ schon einmal vorgeführt hatte, was wörtlich zu nehmen ist. Die geradezu frauenverachtenden Kommentare sind in einer heutigen, seriösen Sportsendung – glücklicherweise – nicht mehr vorstellbar. Hier nur eine kleine Auswahl:
„In München trafen sich die Amazonen aus Deutschland und Holland!“
„Die so lange Sonntags zu Hause gebliebene Fußballbraut zeigt teilweise sogar bestrickenden Stil.“
„Geradezu aus der Luft gehäkelt, dieser Ball!“
„Die Umstellung von Haushaltsführung auf Ballführung scheint tatsächlich gelungen zu sein!“
Und so weiter, und so weiter… hier nochmal der Original-Beitrag in bewegten Bildern:
Wer aber nun meint, dass dies in Sachen widerlichem Chauvinismus nicht mehr zu toppen ist, der darf gern nochmal Wim Thoelke lauschen, der sich in diesem Beitrag direkt mal komplett selbst disqualifiziert, damit im (West-)Deutschland der 60er Jahre aber offensichtlich auf breite Zustimmung traf. So gehörte Thoelke doch bis in die 80er hinein zu den beliebtesten Moderatoren der hiesigen Fernsehlandschaft.
Vorreiter bei der Gleichstellung der Rechte von Männern und Frauen war hier, wie auf vielen anderen Gebieten auch, die DDR. Dort wurde ab 1968 der Frauenfußball offiziell erlaubt, erst zwei Jahre später musste dann auch der DFB nachziehen, zähneknirschend allerdings. Und nur unter Auflagen. So waren den Frauen Stollenschuhe verboten, die Bälle mussten leichter und kleiner sein, und Pflicht war eine sechsmonatige Winterpause.
Was hier klingt wie die Staatsordnung des Iran hat sich vor nur wenigen Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland abgespielt, dem selbsternannten Vorbildsstaat, was Gleichberechtigung und Menschenwürde anbelangt. Ein ziemlich finsteres Kapitel, welches natürlich schnell weggelächelt ist. Es ist daher wirklich erstaunlich, welche Entwicklung der Frauenfußball in Deutschland nehmen konnte, ohne dass er in den ersten Jahrzehnten seiner Duldung auf irgendwelche ernst gemeinte Unterstützung hätte bauen können.
Durch die Einführung der Bundesliga in den 80er Jahren stieß dann allmählich die deutsche Nationalmannschaft in die europäische Spitze vor, konnte 1989 im eigenen Land erstmals Europameister werden. Die favorisierten Norwegerinnen konnten in Osnabrück vor ausverkauftem Haus (23.000 Zuschauer) mit 4:1 geschlagen werden. Die Siegprämie des DFB hatte es dann auch wirklich in sich, jede der Spielerinnen erhielt ein Kaffeeservice. Im Jahre 1989, wohlgemerkt, nicht 1889.
Obwohl der Frauenfußball aufgrund seiner Defizite in Technik, Spielkultur, Dynamik und Athletik in Sachen Popularität deutlich hinter dem Männerfußball rangiert und dies auch sicherlich immer bleiben wird, sind die Erfolge, die Deutschland in dieser Sportart verbuchen konnte, erstaunlich. Die deutsche Nationalmannschaft der Frauen gehört zu den mit Abstand erfolgreichsten Teams der Welt. Sie konnte seit 1989 sage und schreibe acht Europameisterschaftstitel erringen, bei nur elf Teilnahmen. Zweimal gelang der Gewinn der Weltmeisterschaft, 2003 in einem dramatischen Finale gegen Schweden, durch ein Golden Goal in der Verlängerung.
Und, weitaus beeindruckender, die Titelverteidigung bei der WM 2007 in China, als man im Finale die favorisierten Brasilianerinnen um Superstar Marta mit 2:0 schlagen konnte. Torfrau Nadine Angerer hielt in diesem Endspiel einen Elfmeter und blieb über das gesamte Turnier ohne Gegentor. Die Deutschen holten den Titel mit einer unglaublichen Tordifferenz von 21:0 Toren.
Deutlich populärer als in Deutschland ist der Frauenfußball in Nordamerika, was insbesondere die letzte Weltmeisterschaft in Kanada erneut eindrucksvoll unter Beweis stellte. Selbst Partien, in denen nicht die Gastgeberinnen oder die U.S.A. teilnahmen, fanden vor mitunter beeindruckenden Kulissen statt, wie etwa das dramatische Viertelfinale Frankreich gegen Deutschland, welches die deutschen Frauen spät drehen und letztlich im Elfmeterschießen für sich entscheiden konnten. Im Halbfinale trafen die deutschen Damen dann in Olympiastadion von Vancouver auf die U.S.A., wo sie vor über 51.000 Zuschauern verdient 0:2 unterlagen.
Das Finale war in den U.S.A. ein großes Event, welches selbstverständlich live übertragen wurde. Die Amerikanerinnen holten nicht nur den Titel (5:2 gegen Titelverteidiger Japan), sondern wurden auch auf dem New Yorker Times Square mit einer Konfetti-Parade gefeiert, begleitet von hunderttausenden Menschen. Die U.S.-Fußballerinnen fanden sich am Tag nach ihrem historischen Triumph auf dem Titel aller amerikanischen Tageszeitungen wieder. Frauenfußball ist in den U.S.A. die beliebteste Sportart von weiblichen Kindern und Jugendlichen, während der Sport bei den Männern noch immer hinter Football, Baseball oder Basketball steht. Allerdings hat die hohe Verletzungsquote beim Football auch hier bereits für einen Umschwung bei den Jugendlichen gesorgt, die sich immer häufiger für „Soccer“ entscheiden, was sich auch in der überraschend großen Begeisterung der U.S.-amerikanischen Sportfans während der WM 2014 in Brasilien gezeigt hat.
Der deutsche Frauenfußball schaut natürlich neidisch auf die enormen Popularitätswerte in Übersee und versucht nun seinerseits verstärkt, sich vom Männerfußball zu etablieren. So wird das Pokalfinale der Frauen nicht mehr, wie jahrzehntelang üblich, vor leeren Rängen als Vorprogramm des Männerfinals im Berliner Olympiastadion gespielt, sondern als eigenständige Veranstaltung im Kölner RheinEnergie Stadion. Die Zuschauerzahlen sind hierbei noch stark davon abhängig, welche Mannschaften ins Endspiel einziehen, von einem regelmäßig ausverkauften Haus können die Veranstalter nur träumen.
Dass der Weg aber kein leichter ist, da der Sportart noch immer sehr viel Gegenwind ins Gesicht bläst und viel Durchhaltevermögen gefragt ist, kennen die Verantwortlichen ja bereits, aus der langen, schwierigen Historie des Frauenfußballs heraus. Dass es sich aber lohnt, den Weg weiterzugehen – auch wenn er mühsam ist – haben die Erfolge der letzten Jahrzehnte gezeigt. Frauenfußball gehört heute in Deutschland zu den beliebtesten Sportarten bei jungen Mädchen und Frauen. Wenn man an die Schmähungen zurückdenkt, die der Sportart zu Beginn seiner Zeit entgegengebracht wurden, ist das nicht hoch genug zu bewerten.
Eines könnten sich im Übrigen die Männer mal von den Frauen abschauen: Wenn im Frauenfußball eine Spielerin gefoult wird, gibt es nicht das übliche, tuntenhafte Gewinsel, welches der durchschnittliche Bundesliga-Profi beim Darniedersinken – mit einem Augen den Schiedsrichter fixierend – von sich gibt. Nein, es gibt in den meisten Fällen ein sportlich-faires Shakehands, und weiter geht’s.
Wie wäre es denn damit, Ihr männlichen Superprofis? Ich denke, damit wäre der Männerfußball um einiges erträglicher.
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