Der Monat der Verheißung

Avatar von Björn Leffler

Das erste September-Wochenende lässt sich ganz gut an. Der Sommer bäumt sich mit allen Mitteln gegen den bedrohlich erscheinenden Herbst auf und verschafft uns Freizeitfußballern wohlige Wärme auf den heimischen Bolzplätzen. Da passt es eigentlich ganz gut, dass die Bundesliga nach nur einem Spieltag wieder eine kleine Pause eingelegt hat und uns Zeit verschafft zu träumen – von Siegen, Titeln und großen Momenten. Der September ist für alle Fußballfans eine wahre Wonne…

Landauf landab wurde in den letzten Tagen lamentiert über das unsinnige Länderspielwochenende. Ein relativ trostloses Testspiel gegen Finnland, welches lediglich durch die Verabschiedung eines recht frühzeitig ergrauten Herren emotional aufgewertet wurde, und ein Qualifikationsspiel gegen Norwegen als Auftakt in die Gruppenphase hinsichtlich der WM-Endrunde in Russland 2018 lassen uns ungeduldig verweilen in unseren Bedürfnis nach der Bundesliga. Nach drei Spieltagen Zweitklassigkeit und einem Spieltag Erstklassigkeit fühlen wir uns gerade angefüttert und ausgehungert zugleich. Die Bundesliga ist zurück aus der Sommerpause und wird uns nun sogleich wieder vorenthalten. Es ist wie ein Weihnachtsgeschenk, welches wir zwar ausgepackt haben, aber erst im neuen Jahr ausprobieren dürfen.

Die Saison nimmt erst am kommenden Wochenende so richtig Fahrt auf, wenn im wöchentlichen Rhythmus Punkste eingeheimst werden oder dramatisch verloren gehen. Ab diesem Zeitpunkt werden unsere Vorstellungen von der Saison einem endgültigen Realitätscheck unterzogen. Der Auftakt der Bundesliga war ja schön und gut, aber die Aussagekraft steckt erst in den kommenden Wochen. Und so verharren wir spekulierend ob der kommenden Momente und freuen uns diebisch angesichts der stark idealisierten Saisonentwürfe für unseren favorisierten Verein. Es ist ein Moment der Verheißung, den wir gerade erleben – wie so häufig Anfang September.

Der Spielplan steht, die Auslosungen für die zweite Runde im DFB-Pokal und die europäischen Wettbewerbe sind erledigt und die Dauerkarten und Tageskarten erworben. Wir sind wohlig warm eingewickelt in einen Moment der Vorfreude und Demut ist nur etwas für Vernunftbegabte. Nur kleinere Gedanken werden an einen fundamentalen Fehlstart seines Vereins oder an eine potentiell erdrückende Langeweile verschwendet. Im Gegenteil: wir sind voller Zuversicht. Alle leidvollen Erfahrungen aus der letzten Saison werden unter den Teppich gekehrt oder nostalgisch verklärt. Ehemals dramatische Situationen des Hoffen und Bangens sind nun legendäre Momente der Vereinsliebe. Begangene Titelfeiern sind der Auftakt zu neuen Rekorden. Es ist ein Bewusstseinszustand, der wohl durchaus mit einem Drogenwahn zu vergleichen ist. Alles ist gut, du musst nur fest daran glauben.

Es ist ein Monat, in dem alles möglich scheint. Selbst die Fans eines wahrscheinlich fast sicheren Absteigers träumen berechtigterweise von dem Status eines Überraschungsteams. Schließlich wurde der 1. FC Kaiserslautern ja auch als Aufsteiger Deutscher Meister, zahlreiche Zweitligaaufsteiger schafften den Durchmarsch in das Oberhaus und der Weg nach Europa über den DFB-Pokal erscheint so manchem realistisch. Während wir auf den Spielplan blicken, wägen wir ab, wo und gegen wen Punkte wahrscheinlich oder sensationell wären und ertappen uns dabei, dass wir recht schnell überbordenden Optimismus an den Tag legen. Und das tut gut. Die Tabellenspitze ist nur zwei Erfolge entfernt, die Abstiegszone kann sogleich mit einem Remis eventuell verlassen werden. Noch sind die großen Sprünge in der Tabelle genauso möglich wie die Gelegenheiten zahlreich, bittere Niederlagen wieder auszumerzen. Voller Hoffnung geht es nun also in den Monat des sorgenfreien Auftakts. Nichts ist entschieden. Alles ist möglich. Es sollte eigentlich immer September sein.

Axel Diehlmann

 

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