Heute abend kommt es zum gerne als „Abstiegsknaller“ titulierten Aufeinandertreffen zwischen dem SV Werder Bremen und dem VfB Stuttgart. Ausgerechnet auf der engen Zielgerade der Saison muss der VfB heute weitestgehend ohne Fans auskommen. Grund ist die nahezu revolutionäre Anstoßzeit, die eine bedrohliche Zukunft Gegenwart werden lässt: Montag-Abend, 20:30 Uhr.
Die DFL hat im März erstmalig „regulär“ ein Spiel der 1. Bundesliga auf einen Montag-Abend gelegt. Offizieller Grund hierfür war der zu erwartende Großeinsatz der deutschen Polizei am Wochenende rund um den 1. Mai. Aus Sicherheitsgründen sollten die notwendigen Kapazitäten nicht auch noch mit einem Fußballspiel bedacht werden. Nun findet heute abend also ein Montagsspiel in der Bundesliga statt und offenkundig werden spätestens damit die Probleme der Zweitligisten mit den Montagsspielen, die wohl zukünftig auch die der Erstligisten sein werden. Die DFL will ab 2018 flexiblere Anstoßzeiten einführen und einhergehend rückt auch der Montag als Spieltag in den Fokus. In ähnlicher Weise wie bei der englischen Premier League sollen die Spiele eines Spieltags stark gestaffelt werden. Das erprobte Kulturgut „Samstag nachmittag halb vier“ würde gleichsam verwässert werden, um die einzelnen Spiele besser vermarkten zu können. Und da ist es wieder: das böse Wort der Vermarktung. Der Vorrang der Vermarktung vor den Partikularinteressen der Vereine und insbesondere seiner Fans wird bei dieser Diskussion jedenfalls offenkundig. Der Zwiespalt stellt sich recht einfach dar: der Fan eines Vereins möchte seinen Verein auch auswärts unterstützen und organisiert dementsprechend seinen Alltag. Der Markt hingegen wünscht sich den Fan als passiven Werbe-Rezipienten vor dem Fernseher. Es ist der Widerspruch zwischen Freiheit und Kontrolle, der in der Diskussion der Anstoßzeiten im Fußball verdeutlicht wird.
Bisher fanden in der Geschichte der Bundesliga seit 1963 14 Montagsspiele statt. Alle bisherigen waren kurzfristige Verlegungen aufgrund unerwartbarer Wetterkapriolen. Das erste fand am 30. März 1964 in Frankfurt statt, als sich die Eintracht vom Hamburger SV mit 2:2 trennte. Im Rahmen des bislang letzten Montagsspiels besiegte Arminia Bielefeld den SSV Ulm mit 4:1. Die Problematik für die Auswärtsfans war dabei stets dieselbe: Wie lässt sich dies mit dem Berufsalltag, mit der Familie in Einklang bringen? Während damals dies jedoch aufgrund von zufälligen Wettersituationen lediglich passierte, geht es heutzutage um eine wirtschaftliche Kalkulation und entsprechend emotional wird die Debatte geführt. Der Aspekt der Sicherheit wird aus Fankreisen weitestgehend bestritten. In der Saison 2009/10 fand der gesamte 33. Spieltag geschlossen am 1. Mai statt. Ohne besondere Vorkommnisse, einer Wiederholung stehe daher eigentlich nichts im Wege. Weiteres Gegenargument ist nicht nur für die Stuttgarter Fans, dass die Sicherheitsgründe keine bedingte Grundlage für die Verlegung auf den Montag sei, da ohne weiteres die Partie auch auf den Samstag vorverlegt hätte werden können, wie es mit dem zweiten Sonntagsspiel geschehen ist. Folglich geht es wohl um einen ersten Testversuch, wie ein Montagsspiel der Bundesliga vom Fernsehmarkt aufgenommen wird. Aufgrund dieses Testversuchs werden heute lediglich 200 Fans der Stuttgarter in Bremen erwartet. Viele Fans sind unverrichteter Dinge aus Bremen wieder gekommen, da das Spiel sehr kurzfristig erst terminiert wurde. Planungssicherheit gibt es eben vorrangig nur für die Medien. Die Fans schauen dabei blöd aus der Wäsche.
Zumindest die Zweitligisten und diejenigen, die diese Liga verfolgen, habe eine ungefähre Vorstellung von den Rahmenbedingungen der Montagsspiele. Nur die eingefleischesten Fangruppen schaffen es eine Reisegruppe zu den Auswärtspartien zusammenzustellen. Der Rest muss wohl oder übel zu hause bleiben und das Spiel vor dem Fernseher verfolgen. Wäre das nicht schon schlimm genug, sind die meisten dann auch noch auf die sinnentleerte Berichterstattung von Sport1 angewiesen. Die Stadien sind meist allenfalls halbgefüllt, die Leidenschaft hält sich in Grenzen. Um dies zu überspielen, schreit der Kommentator um so lauter seine kruden Gedanken ins Mikrofon. Frei nach dem Motto: Ist eh keiner hier, ich kann quatschen, was ich möchte.
Das heutige Montag-Abend-Spiel lebt von seiner sportlichen Brisanz. Es ist eine Partie zweier fanträchtiger Traditionsvereine, die am Abgrund zum Abstieg um die Mitgliedschaft in der obersten Spielklasse bangen müssen. Folglich werden landauf landab ein großes Publikum gebannt das Spiel verfolgen. Für die DFL und Sky wird das Spiel höchstwahrscheinlich als großartiger Erfolg erscheinen. Für die Fans – und wohlgemerkt nicht nur für die Stuttgarter – bedeutet das Spiel einen weiteren Sargnagel in die Fußballkultur, vollkommen unabhängig vom Ausgang. Wobei sich natürlich für denjenigen der beiden Vereine, der heute verliert, die Diskussion um die Montag-Abend-Spiele in der Bundesliga sich schon bald wie eine Luxusdiskussion anfühlen könnte. Dann nämlich, wenn der Montag-Abend zum tristen Alltag geworden ist.
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