Amerikanische Rockstars haben gemeinhin wenig für europäische Sportveranstaltungen übrig. Insbesondere, wenn es sich auch noch um „Soccer“ dreht. Bruce Springsteen war da keine Ausnahme. Bis zum EM-Sommer 2008.
von Björn Leffler
Bruce Springsteen, der in Amerika längst als politischer Linker verschrien ist und in Europa mitunter noch immer als stumpfer Patriot verkannt wird, hält seit Anbeginn seiner Bühnenkarriere sehr viel von Europa. 1975 traten er und seine mittlerweile legendäre E Street Band erstmals auf europäischem Boden auf, im Londoner „Hammersmith Odeon“.
Als Springsteen in den Folgejahren, vor allem durch seine Alben „Darkness on the Edge of Town“, „The River“ und natürlich, 1984 dann, „Born in the U.S.A.“, einen enormen Popularitätssprung machte, war er in den U.S.A. ein absoluter Superstar. Aber schnell wurde ihm und seinem bis heute tätigen Manager Jon Landau deutlich, dass Springsteen vor allem in Europa geradezu vergöttert wird. In einigen Ländern ging und geht seine Popularität noch weit über seinen Beliebtheitsstatus in den U.S.A. hinaus.
An der Ostküste, in New Jersey, ist Springsteen zu Hause und genießt seit Jahrzehnten Legendenstatus. Seine Konzerte in East Rutherford, Philadelphia, New York City oder Boston gleichen messianischen Veranstaltungen, in denen das Publikum seinem Helden atemlos huldigt. Seit sich Springsteen aber vermehrt auch in die Politik einmischt und offen Wahlkampf für die demokratische Partei macht – und von Zeit zu Zeit künstlerische Projekte verfolgt, die von seiner Stammlinie als „Rockstimme Amerikas“ abweichen – sind die Amerikaner nicht mehr ganz so uneingeschränkt begeistert von Bruce, dem einstigen Liebling, der plötzlich fiel zu häufig unbequeme und sperrige Fragen stellt, anstatt einfach nur „Born in the U.S.A.“ oder „Dancing in the Dark“ zu spielen (obwohl selbst die Textzeilen dieser Hits schwer zu missinterpretieren sind, aber auch das ist den Amerikanern gelungen).
In Europa allerdings, da konnte Bruce Springsteen immer sicher sein, folgten ihm seine treuen Fans auch auf die experimentellsten Pfade und verstanden seine politischen Botschaften, die insbesondere darauf aus waren, George W. Bush zu verhindern (erfolglos) und Barack Obama ins Präsidentenamt zu befördern (erfolgreich). Sie verstanden insbesondere seine neuen Songs über ein ausblutendes Amerika, welches Millionen von Menschen mittellos zurückließ, ohne sich weiter um sie zu kümmern. Denn es waren auch europäische Realitäten, die Springsteen da ansprach, insbesondere nach der Finanzkrise von 2008.
Bruce und sein Management meinten also, Europa sehr gut zu kennen, als sie in eben jenem Sommer 2008 wieder einmal über den großen Teich düsten, um das kürzlich erschienene, kritisch-bittere Rock-Album „Magic“ auf den Konzertbühnen Europas vorzutragen.
In der europäischen Stadionlandschaft kannte sich das Team Springsteen bereits bestens aus, schließlich hatten sie bereits einige Arenen bespielt, die auch bei Fußballfans einen klangvollen Namen hatten, wie etwa das „Camp Nou“ in Barcelona, das „Guiseppe Meazza“ in Mailand oder das „Ullevi Stadion“ in Göteborg, welches bei einem Springsteen-Konzert 1984 so stark beschädigt wurde, dass im Nachhinein eine der Tribünen repariert werden musste. Schuld waren die schwedischen Fans, die während des Songs „Born in the U.S.A.“ enthusiastisch auf- und absprangen. Nur knapp waren Springsteen und die örtlichen Veranstalter damals einer Stadion-Katastrophe entgangen, ohne es überhaupt gemerkt zu haben. Seitdem kündigt Springsteen diesen Song in Göteborg stets mit „The Stadium Breaker“ an.
Als Springsteen 2008 seine europäische Tour begann, war die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz in vollem Gange. Ohne darauf zu achten, welche Spiele dieses Turniers an welchen Abenden terminiert waren, hatte das Management die entsprechenden Stadien gebucht.
Als die deutsche Nationalmannschaft zum letzten Gruppenspiel gegen den Erzrivalen Österreich im Wiener Praterstadion antreten musste, spielte Springsteen mit seiner E Street Band in der Düsseldorfer „ESPRIT-Arena“ und blickte in etwas, was er nur selten zu Gesicht bekam: ein halbleeres Stadion. Der Kartenverkauf für das Konzert war derart schleppend verlaufen, dass sich an diesem Abend kaum mehr als 30.000 Zuschauer in der Arena einfanden, da der Großteil des Landes vor den Fernsehern saß. Ob der zweifache Stromausfall während der Show auch damit in Verbindung zu bringen ist, ließ sich im Nachhinein nicht belegen.
Nach der Show sahen sich Landau und Springsteen fragend an, bis ihnen jemand etwas vom „Soccermatch Austria vs Germany“ und der „EURO 2008“ erzählte. „What is the EURO?“, fragte ein ahnungsloser Bruce Springsteen.
Seine Stationen führten ihn in diesem Sommer in eine ganze Reihe von Ländern, die gerade parallel um die Krone des europäischen Fußballs spielten, und die Crew erlebte mehrfach mit, was europäische Fußballbegeisterung ausmacht. Vor allem während der heißen „EURO“-Wochen.
Bei seinem Auftritt im – dieses Mal ausverkauften – Hamburger Volksparkstadion am Tag nach Deutschlands überraschendem Viertelfinal-Sieg über Portugal hatte Bruce seine Lektion längst gelernt. Als er die Bühne in Hamburg betrat, trat er ans Mikrofon und krächzte in schiefem Deutsch: „Doitschländ Portugäl Drai zuu Zwai! Unglaublisch!“ Und schon hatte er das deutsche Publikum für sich gewonnen.
Dieses Prozedere wiederholte der „Boss“ – sofern es denn passend war – auch bei anderen europäischen Auftritten, oder er assimilierte sich mit der lokalen Supporters-Kultur. In Amsterdam schwang er sich eine Oranje-Blumenkette um den Hals und machte damit seine niederländischen Fans mehr als glücklich. Zum Auftakt der Show rief er „Italy, France, Romania!“ ins Publikum, da die Niederländer diese drei Teams in der Vorrund klar geschlagen hatten.
Im letzten Sommer war Springsteen wieder einmal in Europa unterwegs, und wieder einmal war „EURO“-Fieber auf dem alten Kontinent. Das Management hatte natürlich längst dazugelernt, ungünstige Überschneidungen im Tourkalender und dem „EURO“-Spielplan wurden tunlichst vermieden, trotz der noch komplizierteren Konstellation bei nunmehr 24 teilnehmenden Teams.
Am 19. Juni trat Springsteen im Berliner Olympiastadion auf, sicherheitshalber zwei Tage vor dem letzten Gruppenspiel der deutschen Mannschaft. Das Konzert war ausverkauft, die Menge war begeistert. Ganz so, wie es sich für ein „normales“ Bruce-Springsteen-Konzert gehört.
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